Koubeks unbeschreibliches Comeback: „Echt den Hut ziehen“ | FLZ.de

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Veröffentlicht am 09.10.2022 09:52

Koubeks unbeschreibliches Comeback: „Echt den Hut ziehen“

Augsburgs Torwart Tomas Koubek (l) und Maximilian Bauer (r) nach dem Spiel. (Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild)
Augsburgs Torwart Tomas Koubek (l) und Maximilian Bauer (r) nach dem Spiel. (Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild)
Augsburgs Torwart Tomas Koubek (l) und Maximilian Bauer (r) nach dem Spiel. (Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild)

Tomas Koubeks Töchter Julie und Sophie tollten um ihren Papa herum. In den Katakomben der Augsburger Fußball-Arena versuchte der ehemalige tschechische Nationaltorwart ein fast schon unbeschreibliches Comeback zu erklären, an das er selbst wohl kaum noch geglaubt hatte. Nach dem Ausfall von Stammkeeper Rafal Gikiewicz katapultierte Trainer Enrico Maaßen den 30-Jährigen von der Tribüne direkt auf den Rasen. Und Koubek hielt 883 Tage nach seinem letzten Bundesliga-Einsatz am Samstag beim 1:1 (0:1) gegen den VfL Wolfsburg ausgezeichnet.

„Mich freut, dass alles so gut geklappt hat. Ich habe wieder gefühlt, dass ich Bundesliga spielen kann“, meinte Koubek fast schon ergriffen nach seinem 25. Einsatz in der höchsten deutschen Spielklasse. Seinen letzten Auftritt hatte er gar nicht mehr im Kopf. „Ich kenne selber das Datum nicht, wann ich das letzte Mal gespielt habe“, räumte Koubek ein, dessen ganze Familie im Stadion war. Es war der 27. Juni 2020 beim 1:2 gegen RB Leipzig gewesen.

Koubek sollte beim FC Augsburg eigentlich mal die Langzeit-Lösung zwischen den Pfosten werden. Der damalige Nationalspieler kam im Sommer 2019 für angeblich rund acht Millionen Euro Ablöse von Stade Rennes aus Frankreich, verlor aber noch in seiner ersten Saison seinen Platz an den damaligen Konkurrenten Andreas Luthe. Im Sommer 2020 holten die Augsburger dann Gikiewicz von Union Berlin, danach saß Koubek erstmal nur auf der Bank. In dieser Saison überholte ihn sogar Daniel Klein in der Torhüter-Hierarchie.

Als „Katastrophe für den Kopf“ beschrieb Stürmer Florian Niederlechner die Tribünen-Situation für den in der Mannschaft beliebten Koubek. Einfach „ein geiler Typ“ sei er. „Er ist sehr kollegial, sehr freundlich, er ist immer positiv, einfach ein Typ, den man mag.“ Und das Wichtigste aus Profisicht: „Er hat immer Gas gegeben im Training. Man muss echt den Hut ziehen vor ihm“, sagte Niederlechner weiter.

„Ganz schwer“ sei die Wartezeit gewesen, gestand Koubek, der eigentlich längst weg wollte. Zuletzt zerschlug sich eine Ausleihe im Sommer nach Frankreich. „Die Vereine hatten auch ein bisschen Angst, mich zu nehmen, weil ich zwei Jahre nicht gespielt habe“, räumte Koubek selbst ein, der in Augsburg noch einen Vertrag bis zum Sommer 2024 hat. „Ich kann den Vereinen wieder zeigen, dass ich zwei Beine, zwei Hände habe und schießen kann“, ergänzte der 1,98-Meter-Hüne scherzend.

Maaßen hat mit seiner Entscheidung für Koubek den 21 Jahre alten Ersatzmann Klein komplett degradiert. Wenn eine angebliche Nummer zwei nicht spielt, wenn die eigentliche Nummer eins ausfällt, wann denn sonst? Die Leistung Koubeks fand Maaßen toll. Auch von Geschäftsführer Stefan Reuter gab es ein dickes Lob. „Tomas hat lange warten müssen und hat es richtig gut gemacht“, äußerte der Weltmeister von 1990. „Großes Kompliment.“

Koubek hatte Selbstzweifel. Am Freitag kündigte Maaßen dessen Einsatz an. „Ab diesem Moment war sicher ein bisschen Nervosität da, aber ich war selber gespannt auf dieses Gefühl, was alles kommt“, erzählte Koubek und berichtete von einem „schwierigen Moment im Hotel“, da habe er sogar ein „bisschen geschwitzt“. Seinem Schlaftracker zufolge konnte Koubek aber vor seiner Rückkehr auf den Rasen wenigstens gut schlafen.

Dass der breitbeinige und impulsive Gikiewicz über Selbstzweifel spricht? So gut wie undenkbar. So unterschiedlich sind die beiden Torhüter-Typen. Sobald Gikiewicz seine Oberschenkelverletzung auskuriert hat, dürfte er auch wieder zwischen die Pfosten der Augsburger zurückkehren. Und was passiert mit Koubek?

„Ich will nicht einfach nur da sein, ich will meinen Kollegen und Mitspielern helfen“, formulierte er seinen Anspruch und grübelt weiter über seine Zukunft. „Wenn ein Spieler kommt und sagt, er will irgendwo Spielzeit haben, dann haben wir immer wieder gezeigt, dass wir offen sind. Aber es muss für alle Seiten passen“, sagte Reuter. „Wir werden sehen, was dieser Moment bringt“, befand Koubek und freute sich auf eine kleine Heim-Party mit „Papa, Mama, Bruder, Frau, Kindern, Hamster und Fischen“.

© dpa-infocom, dpa:221009-99-60515/2

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