Katalonien: Genussradeln zwischen Vulkanen und Mittelmeer | FLZ.de

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Veröffentlicht am 23.05.2022 04:20

Katalonien: Genussradeln zwischen Vulkanen und Mittelmeer

Die Vías Verdes verlaufen auf stillgelegten Bahntrassen. Insgesamt 127 solche Strecken gibt es spanienweit. Die Gesamtlänge dieser „Grünen Wege“: fast 2500 Kilometer. (Foto: Departament de Presidència de la Generalitat de Catalunya/dpa-tmn)
Die Vías Verdes verlaufen auf stillgelegten Bahntrassen. Insgesamt 127 solche Strecken gibt es spanienweit. Die Gesamtlänge dieser „Grünen Wege“: fast 2500 Kilometer. (Foto: Departament de Presidència de la Generalitat de Catalunya/dpa-tmn)
Die Vías Verdes verlaufen auf stillgelegten Bahntrassen. Insgesamt 127 solche Strecken gibt es spanienweit. Die Gesamtlänge dieser „Grünen Wege“: fast 2500 Kilometer. (Foto: Departament de Presidència de la Generalitat de Catalunya/dpa-tmn)

Wer bizarre Lava-Landschaften wie auf Lanzarote erwartet, dürfte im Vulkan-Naturpark La Garrotxa enttäuscht werden. Zu lange ist es her, dass die kleinen Vulkane hier im Hinterland Kataloniens im äußersten Nordosten Spaniens Feuer spien.

Wiesen und Wälder haben die Vulkane längst mit ihrem grünen Mantel überzogen. Mitten in dieser Hügellandschaft liegt das malerische Dorf Santa Pau. Alte Steinhäuser und verwinkelte Gassen prägen die verschlafene Ortschaft. Es riecht nach Feuerholz.

Hier in der Garrotxa beginnt die Ruta del Carrilet. Sie verläuft von den Vorpyrenäen durch Katalonien bis zur Mittelmeerküste der Costa Brava und ist eine von 127 „Vías Verdes“ in Spanien. Wo einst Dampfloks schnauften, verlaufen heute diese „Grünen Wege“.

Es handelt sich um stillgelegte Bahntrassen, die zu Wander- und Fahrradrouten in fast unberührter Natur und fernab des Autoverkehrs gemacht wurden. Da die Zugstrecken kaum Steigung haben durften, sind die Wege für Radtouren, Genussradler, aber auch für Rollstuhlfahrer und Wanderausflüge mit Kindern optimal.

Die ehemaligen Bahnhofsstationen am Wegesrand wurden häufig in kleine charmante Hotels, Restaurants, Cafés oder Museen umgewandelt. Fast 2500 Kilometer dieser „Grünen Wege“ gibt es heute in Spanien.

Über dem mittelalterlichen Ortskern von Santa Pau thront das Castell, die im 14. Jahrhundert erbaute Burg der Barone von Santa Pau. Die sehenswerte Kirche Santa María stammt aus dem 15. Jahrhundert.

„Unser Dorf ist nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel, sondern auch ein guter Startpunkt für Wander- und Fahrradrouten in den Naturpark und zu den verschiedenen Vulkanen“, sagt Jesús Pont. An der Placeta dels Balls gegenüber der Burg unterhalten Jesús und seine Frau das Gasthaus Cal Sastre. Es wurde von seinen Großeltern eröffnet.

Die Tische unter den alten Steinbogengängen sind alle belegt. Jesús' Gäste kommen teils extra die 120 Kilometer aus Barcelona, um hier seine berühmte „vulkanische Küche“ zu probieren.

Die Spezialität des Hauses: Fesols de Santa Pau. Die kleinen weißen Bohnen haben eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Jesús bereitet sie als Salat mit Stockfisch und Tomaten nach dem Rezept seiner Großmutter Ramona zu.

„Die Bohnen wachsen nur hier und haben wie andere unserer vulkanischen Produkte, wie Kartoffeln oder Pilze, aufgrund der Erde, des Wassers und des Mikroklimas einen ganz besonderen Geschmack“, versichert Jesús, der sein Gemüse selber anbaut.

Nach dem Bohnen-Salat gibt es Cannelloni mit einer Béchamelsoße aus frischen Pilzen, Trüffeln und der katalanischen Butifarra-Bratwurst. „Die perfekte Stärkung für Deine Tour“, meint Jesús.

Leider hat er Unrecht. Das „Vulkan-Menü“ war zwar köstlich, liegt beim Radeln auf dem Weg nach Olot aber auch schwer im Magen. Es geht bergauf und bergab.

38 Vulkane prägen die malerische Hügellandschaft der Garrotxa. Ein alter Steinbruch lässt tief in den Vulkan Croscat hineinschauen und macht die verschiedenen Lavaschichten sichtbar, die in Schwarz, Rot und Braun schimmern.

Am Santa Margarida Vulkan müssen die Fahrräder unten abgestellt werden. Ein kurzer Wanderweg führt durch Eichen- und Kastanienwälder hinauf zum Kraterrand. Im kreisrunden Vulkankrater steht eine kleine romanische Kapelle.

Die Sonne brennt. Um so willkommener ist der Schatten der Bäume auf dem Weg nach Olot durch den märchenhaften Buchenwald La Fageda d'en Jordà. Hundert Meter über Olot bietet der Montsacopa-Vulkan mit zwei alten Wachtürmen einen herrlichen Blick auf die Altstadt mit ihren imposanten Bürgerhäusern.

Olot ist der eigentliche Startpunkt der Ruta del Carrilet. Von ihr führt sie in einem ersten Abschnitt bis Girona und von dort in einem zweiten Teil bis Sant Feliu de Guíxols an der Costa Brava. Insgesamt sind das rund 95 Kilometer Strecke.

Zunächst geht es von Olot aus durch das grüne Tal des Vall d'en Bas, das auch als die „katalanische Schweiz“ bekannt ist. Die Strecke geht über Bahnbrücken und durch enge Schluchten, die für die Dampfloks früher in den Stein geschlagen wurden.

Am Wegrand bei Sant Esteve d'en Bas weist das Schild „La Xiquella“ auf eine kleine Käserei hin. Oriol Rizo stellt hier auf traditionelle Weise Kuh- und Schafsmilch her. Seine Käsesorten aus Rohmilch haben zahlreiche Preise gewonnen. Sie schmecken mal nach Haselnüssen, mal nach Mandeln, mal nach Kräutern. Einige sind scharf-würzig, andere mild-cremig. Jedenfalls: Perfekter Proviant für die Tour.

Wenige Kilometer weiter kann man Oriols Käse bei Roy Lawson und Goretti Raurell auf eine wirklich originelle und interessante Weise genießen. Roy ist Schotte und bietet in seinem Gasthaus direkt an der Ruta del Carrilet Käse-Proben mit Whisky-Verkostung an. Starke Kontraste mit intensiven Geschmackskombinationen ergibt das.

Ihr Gasthaus „La Rectoria de Sant Miquel de Pineda“ ist umgeben von Obstbäumen und auf Fahrrad-Touristen spezialisiert. Es handelt sich um ein ehemaliges Pfarrhaus. Direkt daneben steht die romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert.

Wieder nur wenige Kilometer später erreicht man über eine alte Steinbrücke das Städtchen Sant Feliu de Pallerols. Es liegt idyllisch am Fluss Brugent. Auf dem Wochenmarkt bieten Bauern aus der Umgebung Käse, Brot, Wurst, Obst und Gemüse an. Es lohnt sich, hier Proviant für den Weg einzukaufen. Denn auf der weiteren Strecke nach Girona laden traumhaft gelegene Wasserfälle und Badestellen zum Picknick ein, etwa Gorg de Can Poetí oder Gorga de Santa Margarida.

Der Weg führt jetzt durch verlassene Wälder und verträumte Dörfer. Orte wie Amer, in die sich nur selten Touristen verirren. Kurz vor der Provinzhauptstadt Girona machen die Steineichenwälder nach und nach Gemüseplantagen und Schrebergärten Platz.

Girona ist zweifelsohne eine der schönsten Städte Kataloniens und blickt auf eine Vergangenheit zurück, die bis ins 1. Jahrhundert und die Römer reicht. Arabische Bäder, das jüdische Viertel, die Plätze mit Steinbrunnen, die historische Stadtmauer. Girona ist ein Juwel.

Nicht ohne Grund dient die Stadt immer wieder als Filmset. Tom Tykwer ließ Girona in „Das Parfum“ zum mittelalterlichen Paris werden. Auch zahlreiche Szenen von „Game of Thrones“ wurden hier verfilmt. So zum Beispiel vor den 90 Stufen, die man erklimmen muss, um auf den Vorplatz der Santa María Kathedrale zu gelangen.

Von Girona startet die zweite Etappe der Ruta del Carrilet. Vorbei an Getreidefeldern und über Bahnbrücken geht es entlang des Flusses Ter weiter Richtung Mittelmeer.

Kurz nach Cassà de la Selva mit seinen modernistischen Häusern lohnt es sich, auf die „Termal“-Fahrradroute abzubiegen, ebenfalls eine Vía Verdes. Diese führt auf rund 15 Kilometern nach Caldes de Malavella. Dort ist der perfekte Ort, um die vom Radfahren erschöpften Beine etwas zu entspannen.

Hier sprudelt das natriumreiche Wasser schon seit Jahrtausenden sechzig Grad heiß aus dem Boden. Das wussten schon die Römer, wie die römischen Thermalbäder von Puig de Sant Grau zeigen.

Caldes de Malavella mit seinen herrschaftlichen Häusern und der Burg lädt zum Verweilen ein. Hotel-Kurbäder wie das Balenari Prats und das Balenari Vichy Catalán haben den Ort mit ihren Thermalbädern reich gemacht. Vichy Catalán produziert zudem eines der bekanntesten Mineralwasser Spaniens.

Die Strände der Costa Brava sind nun nicht mehr weit. Zwischen Kiefernwäldern und Getreidefeldern ist bereits von weitem auf einer Anhöhe Llagostera zu sehen. Von den Überresten der mittelalterlichen Burg kann man bis zum Gebirgsmassiv Les Gavarres schauen.

Jetzt geht es stetig bergab Richtung Mittelmeer. Sant Feliu de Guíxols liegt idyllisch zwischen Hügeln. Der Küstenort mit seinem imposanten romanischen Kloster blickt auf eine lange Fischertradition zurück. Im Hafen schaukeln die Boote im Wasser.

Silber glitzert die Sonne im Mittelmeer. In den Strandrestaurants duftet es herrlich nach frischem Fisch. Doch erst einmal das Fahrrad abstellen, die Badehose anziehen und rein ins erfrischende Nass.

© dpa-infocom, dpa:220520-99-368695/2

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