Im Verfahren um ein Graffito, das Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einer Art SS-Uniform zeigen soll, hat die Kunstfreiheit überwogen. Das Bayerische Oberste Landesgericht sprach den angeklagten Künstler frei, wie eine Gerichtssprecherin am Mittwoch in Nürnberg sagte. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Das Amtsgericht Nürnberg hatte den 40-Jährigen zuvor wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Beleidigung zu einer Geldstrafe von 2700 Euro verurteilt. Das Nürnberger Landgericht hatte das Urteil im Juli 2023 bestätigt. Dagegen legte der Mann mit dem Künstlernamen Fabian Zolar Revision ein.
Im Sommer 2022 hatte er das Graffito auf eine Scheune im Süden Nürnbergs gesprüht. Es ähnelt einer Postkarte mit dem Schriftzug „Liebesgrüße aus Bayern“. Im oberen Teil ist ein Mann in einer Uniform zu sehen, dessen eine Gesichtshälfte als Totenschädel dargestellt ist, die andere Gesichtshälfte weckt Assoziationen zu Ministerpräsident Söder. Darunter sind zwei Szenen dargestellt, in denen Polizisten ähnelnde Personen Gewalt ausüben.
Auslöser für die Darstellung war nach Angaben des Künstlers ein Polizeieinsatz vor der Scheune im Juli 2022, bei dem er Polizeigewalt erfahren habe. Interne Ermittlungen des Landeskriminalamts in dem Fall wurden im Herbst 2023 eingestellt.
Vor Gericht hatte der Mann stets bestritten, mit seinem Graffito Ministerpräsidenten Söder abgebildet zu haben. Er verwies stattdessen darauf, das Bild würde eine Autoritätsperson zeigen und berief sich zudem auf die Kunstfreiheit.
Aus Sicht der Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht besteht bei der Darstellung in der Gesamtschau zwar eine Ähnlichkeit mit einer SS-Uniform, das Graffito sehe dieser aber nicht zum Verwechseln ähnlich. Eine Verurteilung wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen komme deshalb nicht Betracht.
Auch eine Beleidigung verneinten die Richter, die Darstellung sei nach allen vom Bundesverfassungsgericht geprägten Begriffen Kunst. Ob das Bild Ministerpräsident Söder zeigt, bleibt demnach dahingestellt. Die Richter folgten der Auffassung, dass es sich um eine allgemeine oder spezifische Autoritätsperson handeln könnte. Es handle sich deshalb um eine zulässige Kritik am System, die die Grenzen der Kunstfreiheit nicht überschreite. Ein Künstler dürfe sich in seiner Kunst auch politisch, überspitzt oder polemisch äußern, argumentierten die Richter.
Das Verfahren war ins Rollen gekommen, da die bayerische Staatskanzlei nach Bekanntwerden des Graffito Strafanzeige gestellt hatte. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
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