Er gilt als Favorit beim Deutschen Filmpreis: der dreistündige Film „Sterben“ von Matthias Glasner um eine zerrüttete Familie. Das Drama mit Corinna Harfouch und Lars Eidinger geht mit neun und damit den meisten Nominierungen ins Rennen. Am Freitag (3. Mai) entscheidet sich nun, wer die Lola mit nach Hause nehmen kann: Dann wird mit dem Deutschen Filmpreis in Berlin eine der wichtigsten Auszeichnungen der Branche verliehen.
2023 hat „Das Lehrerzimmer“ von Ilker Çatak die Goldene Lola, also die Auszeichnung für den besten Spielfilm gewonnen. In diesem Jahr war Çataks Drama als bester internationaler Film bei den Oscars nominiert. Und bei der diesjährigen Berlinale hat Glasners Drehbuch für „Sterben“ einen Silbernen Bären gewonnen. Was bedeutet das für den deutschen Film?
„Man kann mit Blick auf die internationale Wahrnehmung von einem echten Lauf sprechen, das ist natürlich großartig. Das zeigt, was an kreativem und erzählerischem Potenzial in uns als Filmschaffenden steckt“, sagte Regisseur Florian Gallenberger der Deutschen Presse-Agentur. Mit Schauspielerin Alexandra Maria Lara leitet er die Deutsche Filmakademie. Dies habe natürlich auch damit zu tun, welche Möglichkeiten Filmschaffende hätten. Der 2023 bei den Oscars und beim Filmpreis prämierte Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ sei gut ausgestattet gewesen. Dennoch liege Deutschland bei den Rahmenbedingungen für Filmschaffende weit hinter anderen Ländern.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth hatte im Februar angekündigt, mit einem Steueranreizmodell wieder mehr Filmproduktionen nach Deutschland locken zu wollen. Dies sei absolut notwendig, sagte Gallenberger. „Wir setzen uns mit dieser Überarbeitung nicht an die Spitze des Feldes, wir schließen gerade ans hintere Ende des Feldes auf.“ Lara fügte hinzu, es müsse möglich sein, Filme auf eine einfachere Art zu realisieren. „Auch nach innen geblickt sieht man immer wieder, was für eine Vielfalt die Filmemacher und Filmemacherinnen hier zu bieten haben.“
Die Vielfalt zeigt sich auch in den insgesamt sechs nominierten Produktionen in der Kategorie „bester Spielfilm“: Neben „Sterben“ geht dort der Thriller „Die Theorie von Allem“ ins Rennen. Der in schwarz-weiß gehaltene Film von Timm Kröger ist in den 1960er-Jahren in einem Hotel in den Schweizer Alpen verortet und spielt mit der Idee der Multiversen, also verschiedener parallel existierender Welten. Nominiert ist auch der Historienfilm „Der Fuchs“ von Adrian Goiginger. Das Drama erzählt von einem österreichischen Soldaten, der im Zweiten Weltkrieg einen jungen Fuchs aufzieht.
Mit dabei ist zudem die Verfilmung „Ein ganzes Leben“ von Regisseur Hans Steinbichler nach einem Roman von Robert Seethaler sowie der Polit-Thriller „Im toten Winkel“ von Ayşe Polat. Der Film dreht sich um die Schwierigkeiten einer Crew, die im Nordosten der Türkei einen Dokumentarfilm drehen will. Chancen hat auch das Drama „Elaha“ von Milena Aboyan über die Selbstbestimmung einer jungen Deutsch-Kurdin kurz vor ihrer Hochzeit.
Verliehen werden Preise in mehreren Kategorien - darunter Regie, Drehbuch und Schauspielleistungen. So sind zum Beispiel Eidinger und Harfouch für die beste männliche und weibliche Hauptrolle in „Sterben“ nominiert. Fest steht schon, dass die Lola für den besucherstärksten Film an den Kinofilm „Die drei ??? - Erbe des Drachen“ geht. Auch eine andere besondere Auszeichnung ist bereits bekannt: Schauspiel-Ikone Hanna Schygulla („Die Ehe der Maria Braun“) erhält den Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie für ihre herausragenden Verdienste um den deutschen Film.
„Diese Auszeichnung ist für mich eine Gelegenheit, erstens daran zu erinnern, dass es mich noch gibt. Zweitens, dass da auch noch einiges sprudelt. Und drittens, dass man über manches reden kann, was nicht nur einen selbst betrifft, weil man ein großes Forum vor sich hat“, sagte die 80-Jährige der dpa. Außerdem bekomme vielleicht der ein oder andere Kollege auch Lust, mit ihr etwas zu drehen. „Das würde ich sehr begrüßen“, wünschte sie sich.
Ähnlich wie bei den Oscars in den USA stimmen auch in Deutschland die Mitglieder der Filmakademie über die Gewinnerinnen und Gewinner ab. Nach Kritik wurde bei den Nominierungen die umstrittene Vorauswahl einer kleineren Kommission gestrichen. Die mehr als 2200 Mitglieder der Akademie konnten die Nominierungen dieses Mal direkt aus den eingereichten Filmen wählen.
Die Preise und Nominierungen sind mit insgesamt rund drei Millionen Euro an öffentlichen Geldern dotiert. Das Geld stammt aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Roth. Durch den Abend am Freitag führt ein Moderationsensemble, zu dem unter anderem Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer („Tatort“) und Schauspieler Jürgen Vogel („Caveman“) gehören. Das Erste überträgt die Verleihung um 19.30 Uhr live in der Mediathek und um 22.20 Uhr im linearen Fernsehen.
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