Wut über Transitbeschränkung für Kaliningrad: Russland droht | FLZ.de

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Veröffentlicht am 22.06.2022 10:49

Wut über Transitbeschränkung für Kaliningrad: Russland droht

Waggons stehen auf dem Güterbahnhof in Kaliningrad. Litauen beschränkt den Transit zwischen der zu Russland gehörenden Ostsee-Exklave - nach Angaben aus Brüssel auf Grundlage von Leitlinien der EU-Kommission zur Umsetzung von Sanktionen. (Foto: Uncredited/AP/dpa)
Waggons stehen auf dem Güterbahnhof in Kaliningrad. Litauen beschränkt den Transit zwischen der zu Russland gehörenden Ostsee-Exklave - nach Angaben aus Brüssel auf Grundlage von Leitlinien der EU-Kommission zur Umsetzung von Sanktionen. (Foto: Uncredited/AP/dpa)
Waggons stehen auf dem Güterbahnhof in Kaliningrad. Litauen beschränkt den Transit zwischen der zu Russland gehörenden Ostsee-Exklave - nach Angaben aus Brüssel auf Grundlage von Leitlinien der EU-Kommission zur Umsetzung von Sanktionen. (Foto: Uncredited/AP/dpa)

Die russische Führung hat erneut die Transitbeschränkungen für die Moskau gehörende, aber zwischen den EU-Ländern Polen und Litauen liegende Ostsee-Exklave Kaliningrad kritisiert und mit „praktischen“ Vergeltungsmaßnahmen gedroht.

Eine Antwort werde „nicht im diplomatischen, sondern im praktischen Bereich liegen“, wenn die EU ihre Restriktionen nicht aufhebe, drohte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Mittwoch in einem Pressebriefing.

Aussagen des russischen Außenpolitikers Leonid Sluzki zufolge erwägt Russland unter anderem einen Ausschluss Litauens aus einem gemeinsamen, synchron geschalteten Stromnetz. Über das noch aus Sowjetzeiten stammende BRELL-Ringsystem sind die baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland weiter mit Russland und Belarus verbunden. Weil das für sie als Sicherheitsrisiko gilt, wollen sie aber ohnehin bis 2025 ins europäische Netz integriert sein, Litauen eigenen Angaben zufolge schon früher.

Auch der Kreml meldete sich am Mittwoch nochmals zu Wort. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, die Transitbeschränkungen widersprächen „den grundlegenden Dokumenten“ der Partnerschaft zwischen der EU und Russland. Das Partnerschaftsabkommen von 1994 sehe einen freien Transit von Waren vor, sagte er. Eine Reaktion werde vorbereitet, sagte er. Details zu möglichen Gegenmaßnahmen und einem Zeitpunkt nannte er nicht.

Litauen hatte am Samstag den Transit von Waren, die auf der EU-Sanktionsliste stehen, über sein Territorium untersagt. Laut den Angaben des Kaliningrader Gouverneurs Anton Alichanow sind von den Beschränkungen 40 bis 50 Prozent des Transits zwischen Kernrussland und Kaliningrad betroffen. Unter anderem dürfen nun kein Zement, keine Baumaterialien oder Metalle mehr auf dem Landweg in die russische Ostseeregion gebracht werden. In Kaliningrad haben deswegen bereits Hamsterkäufe auf einzelne Warengruppen eingesetzt.

Doch in Brüssel wird das Risiko einer größeren Eskalation des Konflikts als gering angesehen. Nach Einschätzung von ranghohen Nato-Militärs ist Russland wegen seines Kriegs gegen die Ukraine derzeit nicht in der Lage, Nato-Territorium ernsthaft zu bedrohen. Russlands Armee sei in der Ukraine gebunden und habe vermutlich bereits rund 50 Prozent ihrer weitreichenden Waffen verbraucht, heißt es aus der Bündniszentrale. Es werde einen grundlegenden Wiederaufbau der Streitkräfte brauchen, bevor diese wieder eine ernstzunehmende Bedrohung für Nato-Gebiet darstellen könnten.

Schon vor Kriegsbeginn hatte die Nato zudem ihre Einsatztruppe in Litauen zur Abschreckung Russlands auf etwa 1600 Einsatzkräfte aufgestockt. Mit gut 1000 Soldaten kommt das größte Kontingent dabei von der Bundeswehr, die seit 2017 eine multinationale Nato-Einheit auf dem Militärstützpunkt Rukla anführt - etwa 100 Kilometer Luftlinie von Kaliningrad entfernt.

Die Europäische Union sicherte Russland nun nichtsdestotrotz zu, die Leitlinien zur Anwendung der Sanktionen noch einmal auf die Vereinbarkeit mit internationalem Recht zu prüfen. Ziel sei es zu bestätigen, dass man jegliche Art von Recht einhalte, kündigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag an.

Der Spanier betonte zudem, Litauen habe keinerlei unilaterale Maßnahmen erlassen, sondern handele auf Grundlage von Leitlinien der EU-Kommission zur Umsetzung von Sanktionen. Anschuldigungen gegen das Land seien „falsch“ und „reine Propaganda“.

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis sieht die russische Beschwerden über Transitbeschränkungen als Teil der russischen Kriegsführung. „Russlands Narrativ ist einfach Teil seines Krieges gegen den Westen: Ein Ziel auszuwählen und zu versuchen, seine Gesellschaft zu mobilisieren“, sagte Landsbergis. Regierungschefin Ingrida Simonyte verwies zudem darauf, dass russische Bürger nach wie vor über Litauen reisen dürften. „Es gibt keine Blockade von Kaliningrad“, betonte sie.

© dpa-infocom, dpa:220622-99-753132/4

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