Wiesn trotz Krise: Gaspreis macht Hendl nicht teurer | FLZ.de

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Veröffentlicht am 06.08.2022 08:54

Wiesn trotz Krise: Gaspreis macht Hendl nicht teurer

Das Oktoberfest soll dieses Jahr vom 17.09.2022 bis 03.10.2022 stattfinden. (Foto: Sven Hoppe/dpa/Produktion)
Das Oktoberfest soll dieses Jahr vom 17.09.2022 bis 03.10.2022 stattfinden. (Foto: Sven Hoppe/dpa/Produktion)
Das Oktoberfest soll dieses Jahr vom 17.09.2022 bis 03.10.2022 stattfinden. (Foto: Sven Hoppe/dpa/Produktion)

Prosit! Fröhlich feiernde Massen, dicht an dicht im Bierzelt - das soll es nach drei Jahren Oktoberfest-Pause heuer wieder geben. Sechs Millionen Besucher kamen vor der Pandemie zum größten Volksfest der Welt - und sie verzehrten erhebliche Mengen. Fast eine halbe Million Hendl, noch mehr Bratwürste, 130 Ochsen, über sieben Millionen Liter Bier: Auch kulinarisch ist die Wiesn - hier Zahlen von 2018 - ein Superlativ.

Das schlägt sich im Energieverbrauch nieder. Knapp drei Millionen Kilowattstunden Strom und rund zwei Millionen Kilowattstunden Gas wurden damals verbraucht - beim Gas ist das so viel wie 100 Vierpersonen-Haushalte in einem ganzen Jahr benötigen. Ähnlich waren die Zahlen 2019 im letzten Wiesn-Jahr vor der Pandemie.

Der steigende Gaspreis wird immerhin das Wiesn-Hendl nicht teurer machen. „Wir bleiben bei unseren Preisen. Die Lieferverträge sind fix“, sagt Christian Schottenhamel, zweiter Sprecher der Wiesnwirte.

Wirten und Schaustellern müssen die Energiekosten vorerst nur wenig Sorgen machen. „Allgemein können wir sagen, dass das derzeit hohe Preisniveau bei den Wiesn-Betrieben in diesem Jahr noch nicht ankommen wird, da die Energiemengen hierfür vorab beschafft wurden“, sagt ein Sprecher der Stadtwerke München. Die Gaspreise werden geringfügig höher als die der Wiesn 2019 liegen. Die Gas-Umlage soll erst ab Oktober kommen - das Fest endet am 3. Oktober. Beim Strom gelten für die Wiesn die Preise für Kurzzeitveranstaltungen.

Schon jetzt werfen mögliche Engpässe in der Gasversorgung vielerorts die Schatten voraus. Bäder dimmen die Wassertemperatur und schalten Saunen ab, Politiker rufen zum Energiesparen auf, und allgegenwärtig ist die Warnung, man werde im Winter womöglich kalt duschen müssen. Da hört man in München auch mal kritische Töne, wenn es um die Wiesn geht: Man selbst solle sparen, aber dort werde gefeiert wie immer.

Wiesnchef Clemens Baumgärtner (CSU) setzt hier dem Verbrauch auf der Wiesn den Jahresverbrauch von ganz Deutschland entgegen. Nach Angaben des Umweltbundesamts seien 2021 bundesweit 1016 Milliarden Kilowattstunden Gas und 536 Milliarden Kilowattstunden Strom verbraucht worden. Die Zahlen zeigten, wie wenig ein Verzicht auf das Fest beitragen könnte, eine nationale Energienotlage zu verhindern.

Auf München gerechnet: Der Stromverbrauch der Wiesn liege bei 0,6 Promille des städtischen Jahresverbrauchs, bei Gas seien es 0,1 Promille. „Die Wiesn wird nicht dazu führen, dass in München die Lichter ausgehen“, sagt Baumgärtner. Niemand müsse wegen der Wiesn frieren. Vielmehr würde ohne Wiesn gar mehr Energie an anderer Stelle verbraucht. Ein Brathendl koste im heimischen Ofen deutlich mehr Energie als ein Hendl, das mit vielen anderen auf einem Wiesn-Grill gare. „Das Hendl auf der Wiesn ist energetisch gesehen ein nachhaltiges Schnäppchen.“ Ob alle, die auf der Wiesn gern Hendl essen, auch daheim eins in den Ofen schieben würden, bleibt offen.

Die Wirte wollen als Energiesparbeitrag auf Heizpilze draußen verzichten. Das soll laut Baumgärtner 440 000 Kilowattstunden Gas sparen, fast ein Viertel des früheren Gasverbrauchs. Das übrige Gas wird fast ausschließlich zum Kochen verwendet - kaum Sparpotenzial.

Den Grill herunterzudimmen sei keine gute Idee, sagt Schottenhamel. „Abgesehen davon, dass wir keine „blassen“ Hendl wollen, ist ein halb gares Huhn gesundheitlich bedenklich.“ Beim Strom sei man seit Jahren auf ökologische Verträglichkeit bedacht. Die Wirte verwendeten „selbstverständlich nur Öko-Strom“, zudem gebe es Grauwasserspeicher.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der lautstark schon eine Entscheidung pro Wiesn verlangte, als die Stadt sich noch mit der Corona-Lage befasste und viele zur Vorsicht mahnten, sieht auch in der Energiekrise keinen Grund, auf das Fest zu verzichten.

Selbst von Umweltschützern und von der Grünen Anja Berger - sie ist seit zwei Jahren Wiesn-Stadträtin ohne eine einzige Wiesn - kommen kaum Bedenken. „Ich glaube, dass es Lösungen geben wird“, sagte Berger kürzlich zur Energieversorgung auf der Wiesn. Doch sollte das Volksfest weiter klimafreundlicher werden. „Das Oktoberfest kann auf jeden Fall deutlich nachhaltiger werden, als das im Moment der Fall ist“, meint auch Richard Mergner, Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern. Die Menschen sollten aber nach der langen Pause „ruhig mal wieder auf das Oktoberfest gehen und ihren Spaß haben“.

Zumindest braucht das Volksfest auch bei herbstlicher Kühle keine Heizung. Viele feiernde Menschen - das heizt nicht nur die Stimmung an. Ein Mensch produziert etwa 80 Watt, wie eine frühere Glühbirne. Der Meteorologe Karsten Brandt fand vor einigen Jahren heraus: Auf der Wiesn kann es bis zu zehn Grad wärmer sein als anderswo in der Stadt. Vielleicht könnte diese Energie in Zukunft gar genutzt werden.

© dpa-infocom, dpa:220806-99-294253/2

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