„West Side Story“: Ein Klassiker klassisch neu | FLZ.de

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Veröffentlicht am 16.12.2022 03:47

„West Side Story“: Ein Klassiker klassisch neu

Alexander Bernstein, Sohn von Leonhard Bernstein, steht im Deutsches Theater vor der Bühnenkulisse. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
Alexander Bernstein, Sohn von Leonhard Bernstein, steht im Deutsches Theater vor der Bühnenkulisse. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
Alexander Bernstein, Sohn von Leonhard Bernstein, steht im Deutsches Theater vor der Bühnenkulisse. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Rivalisierende Straßengangs, das Leben von Einwanderern in den USA der 1950er Jahre - und eine Liebe wie die von Romeo und Julia: Das Musical „West Side Story“ ist ein Klassiker - und der kommt jetzt neu auf die Bühne, ein bisschen neu zumindest.

Die Geschichte ist nach Ansicht des Komponistensohnes Alexander Bernstein heute noch aktuell wie eh und je. „Es ist leider immer noch relevant“, sagte er am Freitag vor der Weltpremiere der Neuinszenierung im Deutschen Theater in München. „Als sei es in diesem Jahr geschrieben worden.“

Alexander ist der Sohn von Musical-Komponist Leonard Bernstein (1918-1990). „Die Intoleranz, der Hass, die Wut - damit sind wir ja heute auch noch allzu vertraut“, sagte er. „Aus irgendeinem Grund müssen wir damit immer noch umgehen.“

Neu erfunden wird für die Neuauflage nicht viel. Regisseur Lonny Price hat sich für eine klassische, sehr traditionelle Inszenierung entschieden. Das aufwendige, sich immer wieder in neue Szenerien drehende Bühnenbild lässt das New York der 1950er in seinen typischen Backsteinhäusern mit Feuertreppen und an die Kleidung der Zeit angelehnten Kostümen wieder lebendig werden.

Das Werk sei mehr als ein Jahrhundert lang ziemlich gut ohne ihn ausgekommen, sagte Price vor der Premiere. Darum habe er sich für eine „sehr traditionelle“ Variante der bei der Premiere oft die Grenze zum Kitsch und manchmal sogar die zur unfreiwilligen Komik überschreitenden Liebesgeschichte von Tony (Jadon Webster) und Maria (Melanie Sierra) entschieden und dagegen, sie „auf den Mond“ zu verlagern. Dabei unterstreicht er den sozialkritischen Charakter des Stückes - ein wenig zumindest.

„Der amerikanische Traum ist eher Mythos als Realität“, sagte er - vor allem für nicht-weiße Menschen. Werbetafeln auf der Bühne predigen Konsum und zeigen „glückliche, wohlhabende weiße Menschen“, wie Price sagt - und eine Welt, die einem Großteil der Amerikaner und vor allem den Einwanderern dauerhaft verschlossen bleibt, ihnen aber stichelnd vor die Nase gehalten werde. Da wird auch die Freiheitsstatue auf der Bühne zum Symbol ihres Gegenteils.

Ansonsten zeigt sich eigentlich nirgendwo, dass seit der Uraufführung des Klassikers mehr als 65 Jahre vergangen sind. Das Frauenbild, das auch mit der sehr naiv dargestellten Figur der Maria gezeigt wird, ist mindestens ein halbes Jahrhundert alt. Und Hinweise auf aktuelle Bezüge in der US-amerikanischen Einwanderungspolitik, die es spätestens seit Donald Trumps Mauer zu Mexiko zuhauf gibt, sucht der Zuschauer vergeblich.

Gefeiert wurde die Produktion nach der Weltpremiere dennoch oder vielleicht auch deshalb - mit Standing Ovations und minutenlangem Applaus. Die Neuauflage des Musical-Klassikers soll für mehrere Jahre auf Welttournee gehen. Zunächst sind Stationen in Essen, Zürich, Wien, Baden-Baden, Leipzig, Bremen, Düsseldorf und Frankfurt geplant. Anschließend geht es unter anderem nach Istanbul, Tokio und Bangkok.

Im Deutschen Theater in München wurde das Stück 1961 zum ersten Mal auf einer deutschen Bühne gespielt, vier Jahre nach der Uraufführung in New York.

© dpa-infocom, dpa:221215-99-916424/7

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