Wenn die Rente für das Pflegeheim nicht reicht | FLZ.de

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Veröffentlicht am 04.10.2022 04:48

Wenn die Rente für das Pflegeheim nicht reicht

Viele Pflegeheime erhöhen nun die Preise für einen Pflegeplatz. Nicht alle Betroffenen können das finanziell gut stemmen. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Viele Pflegeheime erhöhen nun die Preise für einen Pflegeplatz. Nicht alle Betroffenen können das finanziell gut stemmen. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Viele Pflegeheime erhöhen nun die Preise für einen Pflegeplatz. Nicht alle Betroffenen können das finanziell gut stemmen. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Energiekosten, Lebensmittel und Personal werden teurer. Auch die Pflege im Heim kostet dadurch mehr. Doch was, wenn eine Erhöhung ansteht und klar ist: Dafür reicht die Rente nicht?

Kann ich die Preiserhöhung abwenden? Werden meine Kinder zur Kasse gebeten? Muss das Haus, das für die Kinder gedacht war, nun verkauft werden? Fragen und Antworten zum Thema.

Am besten prüfen betroffene Familien erstmal, ob die formalen Voraussetzungen stimmen. So muss eine Erhöhung schriftlich angekündigt und mit einer Unterschrift versehen sein.

„Warum die Heimleitung mehr Geld haben will, muss sie absolut transparent und ausführlich begründen“, sagt die Juristin Ulrike Kempchen vom BIVA-Pflegeschutzbund, der die Interessen von Pflegebedürftigen vertritt.

Pauschale Aussagen, die Erhöhung sei die Folge von Pandemie, dem Krieg in der Ukraine und der Energiekrise, reichten nicht.

In dem Schreiben muss die Heimleitung außerdem die alten und die neuen Entgelte gegenüberstellen. „Wichtig ist auch, dass klar erkennbar ist, mit welchem Maßstab die Heimleitung die gestiegenen Kosten auf die Bewohnerinnen und Bewohner umlegen will“, erklärt die Juristin Verena Querling von der Verbraucherzentrale NRW. Zudem muss die Preiserhöhung mindestens vier Wochen im Voraus angekündigt sein.

Unbedingt Fachleute zurate ziehen. Die Verbraucherzentrale vor Ort kann helfen, aber etwa auch der BIVA-Pflegeschutzbund. Grundsätzlich gilt: „Die Preiserhöhung sollte man sorgfältig prüfen und gegebenenfalls Einsicht in die Kalkulationsunterlagen einfordern“, sagt Ulrike Kempchen.

Ja. Vor allem, wenn die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Betroffene sollten ihre Sichtweise dann schriftlich der Heimleitung mitteilen und erklären, dass sie die Erhöhung für unwirksam halten.

„Tun sie das nicht, kann dies als Zustimmung gewertet werden“, warnt Ulrike Kempchen. Ihr Tipp: Die Preiserhöhung erst einmal unter Vorbehalt zahlen. Bei Nicht-Zahlen besteht nämlich die Gefahr, den Heimplatz zu verlieren.

Das kann passieren. Denn zur Finanzierung eines Heimaufenthalts müssen Pflegebedürftige erst das eigene Vermögen aufbrauchen. Erst dann können sie beispielsweise ihre Kinder zur Kasse bitten oder staatliche Hilfe beantragen.

Gut zu wissen: Es gibt ein Schonvermögen von 5000 Euro, das nicht zur Finanzierung der Pflege verwendet werden muss. Auch das Eigenheim kann unter Umständen Schonvermögen sein. Zum Beispiel, wenn der Ehepartner oder die Ehepartnerin dort lebt.

Sollte das Eigenheim doch herangezogen werden, muss man es nicht zwingend verkaufen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. „So kann man es oft auch vermieten“, sagt Verena Querling. Die Einnahmen lassen sich dann zur Finanzierung des Heimplatzes nutzen.

Verschenkte Immobilien können Eltern und Großeltern ebenso zurückverlangen wie etwa Bargeld oder Schmuck, wenn es um die Finanzierung eines Heimaufenthalts geht, für den sonst der Sozialhilfeträger aufkommen müsste. Das gilt aber nur für Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre.

„Ist verschenktes Bargeld bei den Empfängern nicht mehr vorhanden, weil es ausgegeben wurde, müssen Betroffene dies darlegen“, sagt Ulrike Kempchen.

Selbst Geld, das eine Großmutter über Jahre hinweg für ihre Enkel auf Konten angespart hat, kann nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle (Az: 6 U 76/19) der Sozialhilfeträger gegebenenfalls zurückverlangen.

Das Gericht argumentierte, dass regelmäßige Zahlungen an Familienangehörige zum Kapitalaufbau sogenannte „privilegierte Schenkungen“ seien. Sie könnten zurückgefordert werden, wenn der Schenker selbst bedürftig ist.

Ein solches Geldpräsent ist juristisch eine sogenannte „anlassbezogene Anstandsschenkung“. Das gilt nach einem Urteil des Landgerichts Aachen (Az: 3 S 127/16) vom Februar 2017 auch für die Taschengeldzahlungen einer Großmutter. Bei Anstandsschenkungen darf der Sozialhilfeträger nicht zugreifen.

Das ist im Zuge des Elternunterhalts seit Anfang 2020 erst ab einem Jahresbruttoeinkommen des Kindes von 100.000 Euro der Fall.

„Bei der Prüfung der Einkommensgrenze kommt es nur auf das Einkommen des Kindes an“, sagt Verena Querling. Wer nicht allein, sondern nur zusammen mit dem Ehepartner oder der Ehepartnerin ein Einkommen von über 100.000 Euro erzielt, steht rechtlich nicht in der Pflicht, den Heimplatz mitzufinanzieren.

Nur in Ausnahmefällen können Kinder, bei denen die finanziellen Voraussetzungen gegeben sind, Nein zum Elternunterhalt sagen. „Es müssen schon sehr gravierende Gründe vorliegen“, erklärt BIVA-Expertin Kempchen.

Fehlender Kontakt gehört nicht dazu. Allerdings kann ein Missbrauch seitens des betreffenden Elternteils ein Grund sein, weshalb ein gut verdienendes Kind keinen Elternunterhalt zahlen muss.

Alle, die nachweisen können, dass das eigene Einkommen nicht ausreicht, sie kein höheres Vermögen als 5000 Euro und keine gut verdienenden Kinder mit einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro haben.

Der Antrag auf „Hilfe zur Pflege“ stellen Betroffene beim zuständigen Sozialhilfeträger. Er prüft, ob die Person tatsächlich die Voraussetzungen erfüllt.

„Auch das Pflegewohngeld könnte für jene, bei denen das Geld nicht reicht, womöglich eine Option sein“, erklärt Verbraucherschützerin Querling. Der Haken: Das Pflegewohngeld gibt es nur in Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

Es wird gezahlt, wenn das Einkommen und Vermögen der Pflegebedürftigen nicht ausreicht. Darüber werden dann die Investitionskosten eines Heims - etwa Gebäudemieten und Instandhaltungskosten - finanziert.

Der Vermögensfreibetrag bei Pflegewohngeld beträgt 10.000 Euro bei Alleinstehenden und 15.000 Euro bei Ehepartnern oder Lebenspartnern.

Egal, ob „Hilfe zur Pflege“ oder Pflegewohngeld: „Wichtig ist, solche Leistungen möglichst frühzeitig zu beantragen, damit das Geld, wenn es benötigt wird, auch tatsächlich da ist“, sagt Verena Querling. Denn Schulden werden nicht übernommen.

Heimbewohnerinnen und -bewohner könnten zudem oftmals noch andere Leistungen beim Sozialamt geltend machen, etwa eine Kleiderpauschale. Und womöglich ist es sinnvoll, Möglichkeiten für einen Wechsel in die ambulante Pflege auszuloten. „Sie ist oftmals günstiger als die stationäre Variante“, sagt Ulrike Kempchen.

© dpa-infocom, dpa:220930-99-959787/2

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