Warum NFTs für Kleinanleger nicht taugen | FLZ.de

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Veröffentlicht am 01.07.2022 05:01

Warum NFTs für Kleinanleger nicht taugen

Der größte Marktplatz für den Handel mit NFTs: Opensea. (Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa-tmn)
Der größte Marktplatz für den Handel mit NFTs: Opensea. (Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa-tmn)
Der größte Marktplatz für den Handel mit NFTs: Opensea. (Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa-tmn)

Schon mal was von NFTs gehört? Viele Menschen würden diese Frage wohl mit Ja beantworten. Denn Non-Fungible Tokens (NFT) sind in aller Munde. Doch was wirklich dahintersteckt, wissen nur wenige. Was also genau ist dieser digitale Mythos? Und bietet er Anlegerinnen und Anleger eine Chance auf Vermögenszuwächse?

Der Begriff NFT taucht bislang vor allem im Zusammenhang mit digital erschaffenen Kunstwerken auf - also etwa Pixelbildern oder Musikdateien. Das Problem solcher Kunstwerke: Sie sind, im Gegensatz zu realen Kunstobjekten, mithilfe weniger Mausklicks reproduzierbar. Was später Original und was Kopie ist, ist in der Regel kaum noch nachvollziehbar. Genau hier kommen NFTs ins Spiel.

Non-Fungible Token bedeutet auf Deutsch so etwas wie „nicht austauschbare Wertmarke“. Die Wertmarke zertifiziert die Echtheit eines digitalen Kunstwerks und macht das Original so unterscheidbar von Kopien. Denn im Gegensatz zum Pixelbild oder Musikstück ist der Token nicht reproduzierbar. Der Grund: Genau wie Kryptowährungen werden NFTs auf der Blockchain gespeichert, einer kryptografisch verschlüsselten Verkettung von Datenblöcken. Die Manipulation ist so schier unmöglich.

Statt mit dem eigentlichen Kunstgegenstand wird dann mit dem NFT gehandelt. Der Eigentümer eines NFTs muss also nicht gleichzeitig der Eigentümer des jeweiligen Kunstgegenstands sein, für dessen Echtheit das NFT einsteht.

Stephan Witt vom Finanzdienstleister Finum Private Finance in Hamburg schätzt, dass sich der Anwendungsbereich von NFTs in Zukunft sehr viel größer gestalten wird als bisher. Denn die Echtheits- und Eigentumsnachweise könnten auch in jeglicher anderen Form eine Rolle spielen. Etwa bei Eventtickets, Mitgliedschaftsbelegen oder Computerspielen.

Auch der Informatiker und Wissenschaftler Tim Weingärtner hält den NFT-Markt für zukunftsträchtig. „Vor allem in Bereichen jenseits der Spekulation, welche wir aktuell sehen.“ Er sieht die Token eher als eine Möglichkeit zur Dokumentation und Nachverfolgung von realen und digitalen Gegenständen. Weingärtner und sein Team von der Hochschule Luzern forschen in verschiedenen Projekten im Blockchain-Umfeld.

Lohnt es sich als Kleinanleger also, NFTs in den Blick zu nehmen? „Profitable NFT-Investments zu finden ist so schwierig wie die Nadel im Heuhaufen zu finden“, sagt Furkan Yildirim vom Analysehaus Coincheck TV. Von den Tausenden von NFT-Kollektionen gebe es nur wenige, die langfristig einen Wert hätten. Den tatsächlichen Wert eines NFT zu ermitteln, ist aber kaum möglich.

Denn dieser ergibt sich aus Angebot und Nachfrage. Je knapper das Angebot und je höher die Nachfrage, desto teurer ein NFT. Das Problem: Weil der NFT-Markt unreguliert ist, Käufer und Verkäufer anonym bleiben, werden Nachfragen zum Teil auch künstlich erzeugt.

Ein Beispiel: Jemand, der ein NFT erstellt, kauft sich diesen selbst für 100.000 Euro ab. Wiederholt er diesen Vorgang einige Male, könnte für Außenstehende der Eindruck entstehen, der NFT sei wirklich 100.000 Euro wert.

Wer den NFT dann später für 30.000 Euro erwirbt, glaubt ein wahres Schnäppchen gemacht zu haben - dabei war nie eine echte Nachfrage vorhanden. Computerprogramme führten solche Inszenierungen im großen Stil durch, sagt Yildirim. Den NFT später tatsächlich gewinnbringend weiterverkaufen zu können, ist also unwahrscheinlich.

Yildirim zufolge werden auch Influencer oder Personen des öffentlichen Lebens als Marketinginstrumente eingesetzt, um Kleinanleger zu locken. „Solche Projekte bieten allerdings meist keinen echten Mehrwert, so dass Kleinanleger auf diesen Investments sitzen bleiben oder Verluste realisieren müssen.“

Stephan Witt vergleicht den NFT-Hype mit der Etablierung des Internets. Die neue technologische Entwicklung habe viel Spekulation hervorgerufen, die Gewinnerwartungen wurden weit überschätzt. Viele der hoch bewerteten Unternehmen konnten die Hoffnungen aber nicht erfüllen. Die Spekulationsblase platzte, die Vermögensverluste waren enorm.

„Ähnlich ist es auch mit den NFTs anzusehen“, sagt der Finanzberater. „Ein Großteil der Projekte wird viel zu hoch geschätzt und demnach zukünftig crashähnliche Abwärtsbewegungen sehen.“

Nur ein kleiner Teil an NFT-Projekten werde diese Zeit überstehen und langfristig Bestand haben, schätzt Witt. So wie zu Zeiten der Dotcom-Blase Marken wie Amazon, Google und Microsoft. „Die wenigen Ausnahmen, die den Anlegern langfristig einen Nutzen bieten, werden Gewinne ermöglichen, die sonst kaum in einem anderen Markt möglich sind“, sagt Furkan Yildirim.

Tim Weingärtner empfiehlt Laien, die keine Zeit oder Lust haben, sich tiefer mit NFTs und den technischen Hintergründen der Blockchain zu beschäftigen, dennoch die Finger von solchen Investments zu lassen. „Sonst bewegen wir uns im Casino-Bereich.“

Auch Yildirim warnt: „Bei den kleinsten Fehlern droht ein Totalverlust, der nicht rückgängig gemacht werden kann.“ Investoren sollten daher über ein Grundverständnis der Blockchain-Technologie, digitaler Wallets und auch Kryptowährungen verfügen, mit denen die NFTs erworben werden - inklusive aller Risiken.

Wer ein Auge auf ein bestimmtes NFT geworfen hat, sollte sich vor dem Kauf zudem auf verschiedenen Kanälen über das dahinter stehende Kunstwerk informieren.

Wer all dieses Wissen gesammelt hat, kennt vermutlich auch schon Opensea, den größten Marktplatz für NFTs. Hier, aber auch bei anderen Anbietern, können die Echtheitszertifikate gehandelt werden. Tim Weingärtner rät, nur Geld zu investieren, dass man auch bereit sei zu verlieren. Bei Gewinnversprechungen sollten grundsätzlich „die Alarmglocken läuten“, sagt Yildirim.

Bei vielen der Handelsplattformen können auch eigene NFTs erstellt werden. „Das ist nicht kompliziert und dauert nur wenige Minuten“, sagt Yildirim. Wer das tue, bekomme ein gutes Gefühl dafür, wie gering der Aufwand sei, ein NFT zu erstellen. Furkan Yildirim findet: „Mit diesem Wissen hinterfragt man die Sinnhaftigkeit eines NFT-Projekts noch mal auf eine ganz andere Art und Weise.“

© dpa-infocom, dpa:220630-99-863852/2

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