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Veröffentlicht am 08.06.2022 12:06

UV-Filter können Wasserlebewesen schaden

Zig Tonnen Sonnencreme landen jährlich in Gewässern - das hat Folgen für die Lebewesen dort, wie Untersuchungen zeigen. (Foto: Bodo Marks/dpa/Archivbild)
Zig Tonnen Sonnencreme landen jährlich in Gewässern - das hat Folgen für die Lebewesen dort, wie Untersuchungen zeigen. (Foto: Bodo Marks/dpa/Archivbild)
Zig Tonnen Sonnencreme landen jährlich in Gewässern - das hat Folgen für die Lebewesen dort, wie Untersuchungen zeigen. (Foto: Bodo Marks/dpa/Archivbild)

Sommer, Sonne, Badezeit: Die wärmeren Temperaturenlocken an die Strände und ins Wasser. Mit den Badenden gelangenallerdings große Mengen Sonnenschutzmittel in Gewässer - und dieUV-Filter und Nanopartikel aus Cremes, Lotionen und Sprays könnenKorallen und anderen Wasserbewohnern schaden. Immer mehr Studienzeigen solche Effekte. Ersatzlösungen sind in Arbeit - bis dahin aberist der Nutzer selbst gefragt.

Jedes Jahr landen bis zu 14.000 Tonnen Sonnencreme im Meer, davon4000 bis 6000 Tonnen an Korallenriffen, wie Forscher derUS-Meeresbehörde NOAA berechneten. Wie sich das auf die maritimeUmwelt auswirkt, ist noch nicht abschließend geklärt. Vor allem dieenthaltenen UV-Filter scheinen aber Anlass zu Sorge zu geben.

So listet die NOAA auf, dass die Stoffe das Wachstum von Grünalgenbeeinträchtigen, bei Muscheln zu Defekten der Jungtiere führen sowiedas Immun- und Fortpflanzungssystem von Seeigeln schädigen könnten.Bei Delfinen könnten sich die Substanzen im Zellgewebe ansammeln undauf die Jungtiere übertragen werden, während bei Fischen dieFruchtbarkeit reduziert und Veränderungen im Erbgut ausgelöst werdenkönnten.

Vor allem aber stellen UV-Filter demnach - neben Stressoren wie dersteigenden Meerestemperatur - eine Gefahr für Korallen dar.Insbesondere der chemisch-organische Filter Oxybenzon könnte dasErbgut der empfindlichen Nesseltiere schädigen und dazu führen, dasssich deren Larven in ihrem Skelett einkapseln und sterben, wie eineUS-Untersuchung 2016 nahelegt.

Studienergebnisse wie dieses veranlassten den US-Bundesstaat Hawaii,ein Gesetz zu beschließen, das den Verkauf von Sonnencremes mitOxybenzon und Octinoxat seit 2021 verbietet. Ähnliche Regelungengelten in Key West in Florida, auf den Jungferninseln, im InselstaatPalau, in thailändischen marinen Nationalparks, auf der KaribikinselBonaire und in einigen Urlaubsgebieten Mexikos.

Wie genau Korallen durch Oxybenzon geschädigt werden, hat nun eineneue US-Studie herausgearbeitet, über die im Fachblatt „Science“berichtet wird. Wissenschaftler der Universität Stanford nutztendafür eine Korallen- und eine Seeanemonen-Art, denen sie in AquarienOxybenzon in hoher Konzentration zuführten und sie dannunterschiedlichen Lichtbestrahlungen aussetzen. Der erstaunlicheEffekt: Nur die Tiere, die mit dem simulierten Sonnenlicht bestrahltwurden, starben.

„Es war seltsam zu sehen, dass Oxybenzon das Sonnenlicht für Korallengiftig macht - das Gegenteil von dem, was es eigentlich bewirkensoll“, sagte Hauptautor William Mitch. Eigentlich wird Oxybenzon wieandere chemische UV-Filter als Sonnenschutz genutzt, weil esultraviolettes Licht, das auf die menschliche Haut trifft, absorbiertund die Lichtenergie in Form von ungefährlicher Wärme abgibt. DenForschern zufolge verstoffwechseln die Anemonen und Korallen denFilter jedoch so, dass die entstehende Substanz schädliche Radikalebildet, wenn sie dem Sonnenlicht ausgesetzt wird. Der Filter wird inein Phototoxin umgewandelt.

Überdies beobachteten die Wissenschaftler, dass die Algen, die inSymbiose mit den Korallen leben und ihnen ihr farbenprächtigesÄußeres verleihen, ihre Wirte anscheinend schützen, indem sie die ausdem Oxybenzon produzierten Toxine einschließen. Das sich ausbreitendePhänomen der Korallenbleichen könnte daher zusammen mit Oxybenzon imWasser noch fatalere Folgen haben. Von einer Bleiche spricht man,wenn gestresste Korallen ihre Algenpartner abstoßen, so dass ihrknochenweißes Skelett freigelegt ist. Solche gebleichten Korallensind der Studie zufolge noch anfälliger für Oxybenzon.

Neben Oxybenzon steht mit Octocrylen ein weitererchemisch-organischer Filter in der Diskussion. Er soll Studienzufolge Wasserflöhen, Wimperntierchen und Zebrafischen zusetzen,indem er sich unter anderem auf deren Hormonhaushalt auswirkt. Zudemwird der wasserunlösliche Stoff nur schwer abgebaut und könnte sichdeshalb in Organismen anreichern.

Verschiedenen Untersuchungen zufolge finden sich UV-Filtermittlerweile sowohl in tropischen Korallenriffen wie auch imArktischen Ozean - und auch in der Ostsee: Kathrin Fisch vomLeibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde führte 2016 Messungenan der deutschen Ostseeküste durch und wies hier 30 NanogrammUV-Filter pro Liter Ostseewasser nach; in den Flüssen, die in dieOstsee münden, waren es zum Teil bis zu 836 Nanogramm pro Liter. Dasseien zwar geringe Mengen, die sich aber langfristig aufMeeresorganismen auswirken könnten. Ein flächendeckendes Monitoringzur Belastung von Gewässern durch UV-Filter gibt es in Deutschlandnicht, ebenso wenig existieren definierte Obergrenzen für derenMengen.

Als Reaktion auf die möglichen Umweltrisiken chemischer UV-Filterbieten immer mehr Hersteller „korallensichere“ oder „rifffreundliche“mineralische Sonnenschutzmittel an. Diese enthalten Zink- oderTitandioxid - auf der Haut wirken die Partikel wie kleine Spiegel,die das UV-Licht reflektieren. Um das störende „Weißeln“ vielerdieser Produkte zu minimieren, versuchen einige Hersteller, diemineralischen Pigmente zu verkleinern und setzen auf Partikel inNanogröße. Wie spanische Forscher aber 2014 zeigten, führen dieseNanopartikel als Katalysatoren dazu, dass Sonnenlicht aus Wasser dashochreaktive Wasserstoffperoxid erzeugt. Dieses könneKleinstlebewesen schädigen.

Mittlerweile wird an Alternativen geforscht, bei denen Verbindungenaus Algen, Seetang und anderen Meerestieren als UV-Filter fungieren.Bis diese marktreif sind, ist der ökologisch beste Schutz vor derSonne wohl einer, der auf weniger Eincremen setzt, ohne - mit Blickauf das Hautkrebsrisiko - ganz darauf zu verzichten. So empfiehlt dasVerbrauchermagazin „UMID“ des Umweltbundesamts mineralische Filter inNicht-Nano-Form und rät, sich lieber am Nachmittag oder frühen Abendin die Sonne zu legen, sich im Schatten aufzuhalten und durchentsprechende Kleidung zu schützen sowie das Duschen zu Hause, damitweniger UV-Filter direkt in den Gewässern landen.

© dpa-infocom, dpa:220608-99-585583/3

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