Sorge nach Auslaufen von Syrien-Hilfsmechanismus | FLZ.de

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Veröffentlicht am 11.07.2022 07:57

Sorge nach Auslaufen von Syrien-Hilfsmechanismus

Syrische Entwicklungshelferinnen halten Transparente während eines Protests in der Nähe des Grenzübergangs Bab Al-Hawa zur Türkei. Sie protestieren gegen die Aussetzung von Hilfslieferungen über Bab Al-Hawa, den letzten von ehemals vier Grenzübergängen nach Syrien. (Foto: Anas Alkharboutli/dpa)
Syrische Entwicklungshelferinnen halten Transparente während eines Protests in der Nähe des Grenzübergangs Bab Al-Hawa zur Türkei. Sie protestieren gegen die Aussetzung von Hilfslieferungen über Bab Al-Hawa, den letzten von ehemals vier Grenzübergängen nach Syrien. (Foto: Anas Alkharboutli/dpa)
Syrische Entwicklungshelferinnen halten Transparente während eines Protests in der Nähe des Grenzübergangs Bab Al-Hawa zur Türkei. Sie protestieren gegen die Aussetzung von Hilfslieferungen über Bab Al-Hawa, den letzten von ehemals vier Grenzübergängen nach Syrien. (Foto: Anas Alkharboutli/dpa)

Nachdem die Fortsetzung eines wichtigen Hilfsmechanismus für notleidende Menschen in Syrien an der Uneinigkeit des UN-Sicherheitsrats gescheitert war, herrschte bei Diplomaten und Hilfsorganisationen am Montag zunächst Unklarheit und Sorge. Der Mechanismus war am Sonntag offiziell ausgelaufen, nachdem sich der Rat nicht auf eine Verlängerung hatte einigen können. Hinter den Kulissen gab es weiter Bemühungen, offiziell stand der Konflikt in Syrien aber zunächst erst wieder für Mittwoch auf dem Plan des Rates.

Bei einer Sitzung des Sicherheitsrats hatte am Freitag zunächst Russland ein Veto gegen einen von Irland und Norwegen verfassten Resolutionsentwurf eingelegt, der die Fortsetzung des wichtigen Hilfsmechanismus in dem Bürgerkriegsland um ein weiteres Jahr vorsah. Eine Gegenresolution von Russland, nach der der Grenzübergang Bab al-Hawa im Nordwesten Syriens zunächst nur für weitere sechs Monate offen bleiben sollte, fand ebenfalls keine Zustimmung. 2021 war der Hilfsmechanismus noch um ein Jahr verlängert worden - mit einem Kompromiss, den Russland und die USA als „Wendepunkt“ gefeiert hatten.

Nachdem nun keine neue Einigung gefunden werden konnte, schlugen Hilfsorganisationen Alarm: Die schlimmste Hungerkrise seit Beginn des Konflikts vor mehr als elf Jahren bedrohe das Leben von Millionen Menschen, erklärte der Präsident der Organisation International Rescue Committee (IRC), David Miliband. Die Syrien-Direktorin der Deutschen Welthungerhilfe, Else Kirk, warnte, eine neue UN-Resolution sei unerlässlich, damit Millionen von Menschen wichtige humanitäre Hilfe bekommen könnten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf Russland angesichts dessen Vetos vor, „unverantwortliche politische Spiele“ zu spielen.

Am Montag besprachen Russlands Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan bei einem Telefonat Angaben beider Seiten zufolge die Lage in Syrien. Erdogan habe sich für die Verlängerung des grenzüberschreitenden Hilfsmechanismus in Syrien ausgesprochen, hieß es aus Ankara.

Hintergrund ist eine seit 2014 bestehende UN-Resolution, die am Sonntag planmäßig ausläuft. Die Regelung erlaubt es den Vereinten Nationen, wichtige Hilfsgüter über Grenzübergänge auch in Teile des Bürgerkriegslandes zu bringen, die nicht von der Regierung kontrolliert werden. Russland, das die syrische Führung von Staatschef Baschar al-Assad stützt, hatte immer wieder signalisiert, dass es auch den letzten von einst vier Grenzübergängen - Bab al-Hawa im Nordwesten - schließen möchte. Dann könnte UN-Hilfe nur noch über die Regierung in Damaskus nach Syrien gelangen.

Im Nordwesten Syriens leben nach UN-Angaben rund 4,4 Millionen Menschen. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Vertriebene, von denen viele seit Jahren in Lagern wohnen. 4,1 Millionen Menschen in der Region brauchen humanitäre Hilfe. Syrien leidet nicht nur unter den Folgen des Bürgerkriegs, sondern auch unter einer schweren Wirtschaftskrise. Nach UN-Schätzungen leben mehr 90 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze. Millionen haben zu wenig zu essen.

© dpa-infocom, dpa:220711-99-978673/3

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