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Veröffentlicht am 29.07.2022 04:32

Sicher mit dem Pedelec durch die Stadt

Obwohl sie sich von herkömmlichen Fahrrädern kaum noch optisch unterscheiden, sind Pedelecs gar nicht so einfach zu steuern. Etwas Übung ist gefragt. (Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)
Obwohl sie sich von herkömmlichen Fahrrädern kaum noch optisch unterscheiden, sind Pedelecs gar nicht so einfach zu steuern. Etwas Übung ist gefragt. (Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)
Obwohl sie sich von herkömmlichen Fahrrädern kaum noch optisch unterscheiden, sind Pedelecs gar nicht so einfach zu steuern. Etwas Übung ist gefragt. (Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)

Speziell im Sommer wird es auf den Radwegen im Stadtverkehr oft eng: Schutzblech an Schutzblech reihen sich Radfahrende aneinander - immer mehr auch mit Pedelec. Wer zum ersten Mal auf einem Elektrofahrrad sitzt, sollte sich gut vorbereiten.

„Radwege hierzulande sind meist viel zu schmal, rumpelig, chaotisch geführt - oder fehlen manchmal ganz.“ Das Urteil von Stephanie Krone vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) über die Fahrradfreundlichkeit der deutschen Städte fällt eindeutig aus. Das heißt auch: Erschwerte Bedingungen für Radfahrer. Wer dann noch recht neu mit dem umgangssprachlich E-Bike genannten Pedelec unterwegs ist, muss sich auch noch an das andere Fahrverhalten gewöhnen.

Vor der ersten Fahrt rät Krone deshalb zu einer Probetour in sicherer Umgebung. Denn selbst, wenn viele Modelle sich optisch nicht mehr allzu sehr von einem herkömmlichen Rad unterscheiden, reagieren Elektroräder anders als gewohnt. Eine Eigenart zeigt sich schon im Antritt. Ein Pedelec schiebe sich durch die Motorunterstützung fast von selbst vorwärts, so Krone. „Wenn man damit nicht rechnet und zu stark tritt, kann man schlimmstenfalls einen Satz nach vorn machen.“

Zum Eingewöhnen empfiehlt sie die niedrigste Unterstützungsleistung, um sich an den Schub des Motors besonders beim Anfahren zu gewöhnen. Beim Fahrtraining sollten Anfänger zusätzlich ein paar Schlangenlinien fahren, um das Kurvenfahren zu üben. Erst wenn sich der Radfahrer sicherer fühlt, sollte er sich an die 25 km/h herantasten, bis zu denen das Pedelec beim Treten maximal hilft.

Außerdem rät sie, das Bremsen zu üben. Denn wer so flott unterwegs ist, müsse vor allem im Stadtverkehr jederzeit abbremsen können. Entsprechend kräftig fallen die Bremsen bei Pedelecs aus. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko, da sich laut Deutschem Verkehrssicherheitsrat (DVR) durch das höhere Gesamtgewicht und den schnellen Antrieb der Bremsweg verlängert. Entsprechend oft sind Pedelecfahrer regelmäßig im Straßenverkehr in Unfälle verwickelt.

Laut Statistischem Bundesamt verunglückten 2021 372 Radfahrer tödlich, darunter 131 mit dem Pedelec. Während die Zahl der tödlich verunglückten Radfahrer im Vergleich zum Vorjahr sank, stieg sie hingegen bei den Pedelecfahrern. Hauptsächlich handelte es sich laut DVR um Senioren und Seniorinnen, die innerorts einen Unfall bauten.

Gerade für unsichere Fahrer, die mit der Eigenart eines Pedelec überfordert sind, hat Stephanie Krone daher einen Rat. „Ältere und bewegungseingeschränkte Menschen sollten zusätzlich prüfen, ob sie einen Schulterblick noch hinbekommen, ohne ins Schlingern zu geraten“. Ein Rückspiegel oder auch ein Dreirad könnten für sie ansonsten die Lösung sein.

Außerdem sollten Helm oder Fahrrad-Airbag nicht fehlen, rät die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Und ein regelmäßiger Gesundheitscheck auch angesichts einer Medikamenteneinnahme bringt Gewissheit über die Verkehrstauglichkeit.

Genauso ist das Gewicht des Rades entscheidend. Ist es zu schwer, leidet womöglich der Fahrspaß darunter - oder im schlimmsten Fall verlieren Fahrer die Kontrolle. Krone empfiehlt daher beim Kauf einen kurzen Tragetest: Ist das Rad leicht genug, um es ein paar Stufen hochzutragen?

Womöglich ließen sich mit etwas mehr Vorbereitung viele Pedelec-Unfälle verhindern. Denn laut Jonas Hurlin vom DVR sind diese oft selbst verschuldet, ohne dass ein anderer Verkehrsteilnehmer beteiligt war. Für ihn ein Zeichen, dass „das Gefühl für Geschwindigkeit, Bremsverhalten und Kurvenverhalten erst erlernt werden muss“.

Ein weiterer Blick in die Statistik des Statistischen Bundesamts zeigt außerdem: Am häufigsten verunglückten Radfahrer in den Sommermonaten zwischen Mai und September und dazu meist unter der Woche - also etwa auf dem Weg zur Arbeit.

Ebenso verdeutlichen die Zahlen: Immer mehr Unfälle geschehen aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeiten. Sind also Städte überhaupt für Pedelecs geeignet? Für den DVR-Sprecher sind Elektroräder grundsätzlich stadttauglich - wenngleich etwas mehr Übung nötig ist, um sie richtig zu beherrschen.

Umso mehr mahnt Hurlin auf den Radwegen zu mehr Rücksicht, aber das gilt seiner Meinung nach genauso für sportliche Radfahrer ohne Motorunterstützung. Um Zusammenstöße zu vermeiden, sollten andere Verkehrsteilnehmer, die sich Radweg oder Fahrbahn mit einem Elektrorad teilen, mit einer hohen Geschwindigkeit und raschen Beschleunigung des Fahrers rechnen.

Angesichts der engen Radwege sollten sich Radfahrer außerdem gut überlegen, wie und ob sie andere Verkehrsteilnehmer überholen möchten, ohne sich und andere zu gefährden. Denn um sicher aneinander vorbeifahren zu können, sind laut Siegfried Brockmann mindestens zwei Meter notwendig. Eine Breite, die nicht immer gegeben ist.

„Pedelecs und Lastenräder zeigen die Probleme nur noch mehr, weil die Radwege dadurch noch enger werden“, so der Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Für Brockmann gelten für Pedelecfahrer daher die üblichen Benimmregeln wie für andere sportliche Radler: Angepasst fahren. Außerdem ist das Fahren in die falsche Fahrtrichtung oder auf dem Gehweg tabu.

„Man sollte immer vorhersagbar fahren, also die Änderung der Fahrtrichtung per Handzeichen ankündigen und keine plötzlichen Schlenker fahren oder unvermittelt stehen bleiben“, sagt Krone.

Bei Kosten von schnell mehreren Tausend Euro kann es reizvoll sein, ein gebrauchtes Modell zu wählen. Gerade Anfänger sollten dabei aber vorsichtig sein, sagt Krone. Wenn man sich mit Fahrradtechnik nicht auskenne und den Zustand des Rades nicht sicher beurteilen könne, sollte man ein Fachgeschäft aufsuchen und sich dort beraten lassen.

So verhindern Radfahrer, die Katze im Sack zu kaufen. Denn Käufer können laut der ADFC-Sprecherin nicht nachvollziehen, in welchem Zustand die Elektronik ist und sollten den Akku als teuerstes Verschleißteil Fachleuten zum Prüfen geben.

© dpa-infocom, dpa:220728-99-188135/2

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