Nach Missbrauch: Priester in Laienstand zurückversetzt | FLZ.de

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Veröffentlicht am 13.06.2022 17:54

Nach Missbrauch: Priester in Laienstand zurückversetzt

Eine Statue der Justitia steht unter freiem Himmel. (Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild)
Eine Statue der Justitia steht unter freiem Himmel. (Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild)
Eine Statue der Justitia steht unter freiem Himmel. (Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild)

Nach jahrzehntelangem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist ein strafrechtlich verurteilter und auch in Bayern eingesetzter Essener Priester in den Laienstand zurückversetzt worden. Das teilte das Bistum Essen am Montag mit.

Der Fall des in den 1980er Jahren im Freistaat Bayern tätigen Priesters ist auch umfangreich Gegenstand im Missbrauchsgutachten der Erzdiözese München-Freising. Besonders brisant ist dabei die Rolle des früheren Münchner Erzbischofs Joseph Ratzinger, des heutigen emeritierten Papstes Benedikt XVI..

Mit dem Zurückversetzen in den Laienstand verliert der 75-Jährige seine kirchliche Altersbezüge, die mit einer Beamtenpension vergleichbar sind, und erhält nur noch eine deutlich geringere gesetzliche Rente. Schon seit 2010 ist ihm die Ausübung kirchlicher Dienste verboten.

Ein Sprecher des Münchner Erzbistums bestätigte, dass es sich um den einst auch in Bayern tätigen Priester H. handle. Der Fall gilt als symptomatisch für vieles, was in der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche falsch gelaufen ist.

Der Priester hatte laut Bistum Essen seit seiner Kaplanszeit in den 1970er Jahren zunächst in Bottrop und später in Essen in seinen Gemeinden Kinder sexuell missbraucht. Wegen der Missbrauchsvorwürfe war der Geistliche Anfang der 1980er-Jahre nach Bayern ins Erzbistum München und Freising versetzt worden, um sich dort einer Therapie zu unterziehen. Dort war der Missbrauch an verschiedenen Stationen unter anderem bei München und und Garching/Alz bei Altötting aber weitergegangen. Mitte der 1980er Jahre wurde der Geistliche wegen Missbrauchs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Insgesamt seien mutmaßlich mindestens 28 Menschen - in der Regel Kinder und Jugendliche - von den Missbrauchsfällen in Nordrhein-Westfalen und in Bayern betroffen, sagte ein Bistumssprecher in Essen. Gegen den Mann läuft weiterhin ein kirchenrechtliches Verfahren.

Das vom Münchner Erzbistum selbst in Auftrag gegebene Gutachten war zum Ergebnis gekommen, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden. Es wirft den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Ratzinger konkret und persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vor. Auch dem aktuellen Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, wird formales Fehlverhalten in zwei Fällen vorgehalten.

2020 hatte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck den Priester von Bayern zurück ins Ruhrbistum beordert, um durch eine engmaschige Führungsaufsicht möglichen weiteren Missbrauchstaten vorzubeugen. Wenn der ausgeschiedene Geistliche nun nicht mehr zum Klerus gehöre, „werden diese Bemühungen in dem Umfang, wie es jetzt geschieht, auf Dauer nicht weitergeführt werden können. Das sehe ich nicht ohne Sorge“, schrieb Bischof Overbeck laut einer Mitteilung dem Vatikan.

Das Bistum Essen biete dem Mann die freiwillige Fortsetzung seines aufwendigen deliktorientierten Coachings auf Bistumskosten für zwölf Monate an, sagte der Interventionsbeauftragte des Bistums, Simon Friede. Er sei sich aber nicht sicher, ob der entlassene Priester dieses Angebot annehmen werde. Er unterliege jetzt nicht mehr der kirchlichen Weisungsbefugnis.

© dpa-infocom, dpa:220613-99-650671/2

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