Muss ich in der Ausbildung Überstunden machen? | FLZ.de

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Veröffentlicht am 20.06.2022 04:32

Muss ich in der Ausbildung Überstunden machen?

Nur weil das Projekt fertig werden muss, darf der Arbeitgeber Azubis nicht zu Überstunden verdonnern. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Nur weil das Projekt fertig werden muss, darf der Arbeitgeber Azubis nicht zu Überstunden verdonnern. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Nur weil das Projekt fertig werden muss, darf der Arbeitgeber Azubis nicht zu Überstunden verdonnern. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Viel Eigenverantwortung tragen und ein geschätztes Mitglied im Team sein: Azubis freuen sich, wenn sie ernst genommen werden. Aber heißt das, dass auch sie länger bleiben müssen, wenn Überstunden anfallen?

In der Regel sind Überstunden nicht erlaubt. Im Ausbildungsvertrag sind Ausbildungsdauer sowie die tägliche und wöchentliche Ausbildungszeit vereinbart - und die sind so angelegt, dass sie zur Vermittlung der Lerninhalte ausreichen. „Dann gehen Überstunden eigentlich gar nicht“, sagt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg.

Der springende Punkt: Ein Ausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis. „Die Ausbildung muss im Vordergrund stehen“, so Markowski. Auszubildende sind folglich grundsätzlich nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten.

Es kann aber Ausnahmen geben. Zum Beispiel, wenn Regelungen in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag auch mal Überstunden zulassen. „Dann können auch im Ausbildungsverhältnis Arbeitsstunden vorkommen, die über die reguläre Arbeitszeit hinausgehen.“

Entscheidend ist Fachanwalt Markowski zufolge aber, dass diese Stunden dem Ausbildungszweck dienen. „Und deswegen muss gleichzeitig jemand da sein, der die Ausbildung verantwortet.“ Heißt: Der Ausbilder oder die Ausbilderin muss die längere Ausbildungszeit begleiten und überwachen. Auszubildende mit an einer Maschine einzusetzen und Überstunden machen zu lassen, damit ein Auftrag fertig wird, geht also nicht.

Verlangt der Betrieb das dennoch ohne Grundlage in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag, können Auszubildende ablehnen. Rein rechtlich darf dann keine Abmahnung oder Kündigung drohen. „Aber natürlich ist es an der Stelle immer ein bisschen schwierig für die jungen Menschen, dem Chef zu sagen: „Ich mach das nicht““, schränkt Markowski ein. Hier sei es wichtig, dass Betriebsräte oder die Jugend- und Auszubildendenvertretung - sofern es sie im Unternehmen gibt - darauf achten, dass die Regularien eingehalten werden.

Kommt es doch dazu, dass mal mehr gearbeitet werden muss, dann sind die Überstunden laut Markowski zu vergüten. Auch ein Freizeitausgleich ist möglich. So sieht es das Gesetz vor. „Zuschläge gibt es nur, wenn die geltenden Tarifverträge das vorsehen“, sagt der Fachanwalt. Und in jedem Fall gilt: Auch bei Überstunden muss die gesetzliche Höchstarbeitszeit beachtet werden.

Zur Person: Jürgen Markowski ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg und Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).

© dpa-infocom, dpa:220617-99-702202/2

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