Messis WM-Show: „Ganz Argentinien wäre am liebsten hier“ | FLZ.de

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Veröffentlicht am 04.12.2022 12:41

Messis WM-Show: „Ganz Argentinien wäre am liebsten hier“

Argentiniens Superstar Lionel Messi jubelt nach dem Sieg gegen Australien. (Foto: Robert Michael/dpa)
Argentiniens Superstar Lionel Messi jubelt nach dem Sieg gegen Australien. (Foto: Robert Michael/dpa)
Argentiniens Superstar Lionel Messi jubelt nach dem Sieg gegen Australien. (Foto: Robert Michael/dpa)

Lionel Messi dirigierte die Fans in der himmelblau-weißen Hüpfburg von Katar. Beim Anblick seiner jubelnden Familie mit den drei Söhnen im Trikot mit der Nummer 10 wurde er aber ganz still.

Mit großen Augen und einem immer breiter werdenden Lächeln schaute der stolze Papa nach den langen Euphorie-Minuten auf dem Rasen auf das Smartphone eines argentinischen TV-Journalisten. „Große Emotionen“, brachte Messi erstmal nur raus: „Ich weiß, wie sie es erleben, wie sie leiden und wie sie sich freuen.“ 

Messi gibt ihnen viel Grund zur Freude bei dieser Fußball-WM, seiner fünften, seiner wohl letzten und bisher auch seiner besten. Vom Anpfiff bis zum Ende beim 2:1 über Australien habe er auch an sie gedacht, betonte Messi nach dem Einzug in das Viertelfinale auch dank seines ersten Treffers in einer K.o.-Runde bei einer WM - die anderen acht vorher hatte er allesamt in Gruppenspielen 2006, 2014 und 2018 erzielt. 2010 war Messi torlos geblieben. 

Oranje-Team als Prüfstein

Doch nicht nur ob seiner K.o.-Runden-Torpremiere entwickelt sich diese WM zur Messi-Show - vorerst zumindest. Denn der nächste Gegner Niederlande im Viertelfinale ist der erste echte Prüfstein für die Titelreife und ein Kontrahent mit Geschichte für die Südamerikaner. 1978 holten sie durch einen Finalsieg gegen die Holländer den Titel im eigenen Land. 2014 erreichten sie im Elfmeterschießen gegen die Niederlande das Finale. Und Trainer Lionel Scaloni, mit 44 Jahren der jüngste Trainer bei dieser WM, kennt Kollege Louis van Gaal, mit 71 der älteste, noch aus der gemeinsamen Zeit in der spanischen Liga.

Vor dem Beginn der Vorbereitung auf das stimmungsvolle Duell am kommenden Freitag im Lusail-Stadion gönnte der Coach der Argentinier seinen Spielern aber erst einmal einen Tag Erholung. Die Australier hatten ihnen einiges abverlangt nur drei Tage nach dem Gruppenfinale gegen Polen. „Ich glaube nicht, dass wir verdient hatten, so in den letzten Minuten zu leiden“, sagte Scaloni, nachdem die Australier durch ein Eigentor von Enzo Fernández nochmal herangekommen waren und Keeper Emiliano Martínez mit einer Monsterparade in den Schlusssekunden den Sieg und die argentinische Party im Ahmed bin Ali Stadion gerettet hatte.

Argentinien-Fans in Ekstase

Fast 90 Prozent der knapp 45.000 Zuschauerinnen und Zuschauer trugen himmelblau und weiß an diesem Abend in Al-Rajjan. Und fast alle Trikots trugen die Nummer 10. „Ganz Argentinien wäre am liebsten hier, das ist aber halt nicht möglich“, sagte Messi. Der Schwermut und die Last mancher Weltmeisterschafts-Kapitel seiner Karriere vorher scheint völlig gewichen. „Gefahr: Messi ist locker“, schrieb Spaniens Sportblatt „As“ schon. 

Drei Siege noch, und Messi wäre in eine Sphäre vorgedrungen in seiner Heimat, die vermutlich erst noch erkundet werden muss. Diego Maradona hat er nun auch in der Anzahl der WM-Tore mit seinem neunten Treffer überholt, vor ihm steht noch Gabriel Batistuta (10). Mit dem Einzug ins Halbfinale wäre auch der Weg frei, Lothar Matthäus als WM-Rekordspieler abzulösen. Messis 1000. Pflichtspiel am Samstag als Profi war sein 23. WM-Einsatz. Nur Miroslav Klose (24) und Matthäus (25) kommen auf mehr Spiele.

All die Statistik dürfte Messi an diesem Abend, an dem Sturmpartner Julián Álvarez den zweiten Treffer erzielt hatte, nicht interessiert haben. Es war ein Abend voller Emotionen: In Buenos Aires wurde wieder in den Straßen gefeiert. In Rosario, der Heimat von Messi, erst recht. „Ritual und Fußballreligion“, schrieb die dortige Zeitung „La Capital“. „Ich wünschte, jeder könnte erleben, was die Spieler erleben mit den Fans“, sagte Scaloni. Zu wissen, dass ein ganzes Land hinter ihnen stehe, sei ein Schub wie kein anderer: „Wir brauchen das.“

Und Messi braucht sein Wohlfühl-Umfeld. Beim FC Barcelona wurde er so zum Superstar. Dass er schon vor dieser WM den Kader und den Zusammenhalt mit dem von 2014 verglichen hatte, als Argentinien erst im Finale von Deutschland geschlagen wurde, sagt schon einiges aus. Hätten die Südamerikaner sich den Peinlich-Ausrutscher zum Auftakt gegen Saudi-Arabien nicht geleistet, wären sie mittlerweile seit 40 Spielen ungeschlagen. Dass der Copa-América-Sieger vergangenen Jahres sich von dem Rückschlag gleich zu Beginn der WM erholte und mit einem „Messi in naturwidriger Weise“ (infobae.com) die heikle erste K.o.-Runde überstand, spricht für eine positive Dynamik.

Dass seine Jungs, Thiago, Mateo und Ciro, bei dieser WM alle so hautnah dabei sind mit Mama Antonela Roccuzzo, macht aber auch aus einem Weltstar einen ganz normalen Ehemann und Vater. „Meine Söhne verstehen jetzt, was eine Weltmeisterschaft bedeutet und das bringt mir noch mehr Freude“, sagte Messi. „Es ist toll zu sehen, wie sie es erleben.“ Und es soll am Freitag noch nicht vorbei sein.

© dpa-infocom, dpa:221204-99-774092/2

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