Menasse und Yücel an der Spitze des neuen PEN Berlin | FLZ.de

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Veröffentlicht am 11.06.2022 10:32

Menasse und Yücel an der Spitze des neuen PEN Berlin

Eva Menasse & Deniz Yücel in Berlin. (Foto: Christoph Soeder/dpa)
Eva Menasse & Deniz Yücel in Berlin. (Foto: Christoph Soeder/dpa)
Eva Menasse & Deniz Yücel in Berlin. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Nach heftigem Streit und anhaltenden Querelen bei der Schriftstellervereinigung PEN gibt es nun zusätzlich einen neuen Verband PEN Berlin.

Während der Versammlung am Freitag in Berlin sowie einer Online-Schalte wählten rund 150 Mitglieder den Journalisten Deniz Yücel und die Schriftstellerin Eva Menasse („Dunkelblum“) an die Spitze des Verbandes.

Yücel war zuvor einige Monate lang Präsident des PEN-Zentrums Deutschland. Dort war er nach heftigen Querelen zwar im Mai bestätigt worden, hatte das Amt aber anschließend niedergelegt.

Bei der Wahl erhielt Menasse 143 von 143 Stimmen, Yücel erhielt 136 Stimmen bei acht Gegenstimmen. Neun Mitglieder wurden für das Board des neuen Vereins bestimmt.

Der in Großbritannien inhaftierte Wikileaksgründer Julian Assange wurde umgehend Ehrenmitglied. Dies sei ihm angetragen worden, er habe es am Vormittag angenommen, hieß es. Das wurde von der Versammlung in Berlin mit anhaltendem Beifall quittiert.

Die Schriftstellerin Simone Buchholz („River Clyde“), ebenfalls in das Board gewählt, verließ die Versammlung vorzeitig „für die erste Amtshandlung des PEN Berlin“. Gemeinsam mit Board-Mitglied Alexandru Bulucz („was Petersilie über die Seele weiß“) holte sie den von der russischen Justiz zur Fahndung ausgeschriebenen Schriftsteller Dmitry Glukhovsky („Der Posten“, „Text“) am Flughafen in Berlin ab.

Der neue Verband will laut Yücel auch mit PEN International zusammenarbeiten. Die dafür notwendige Unterstützung gebe es bereits von den Verbänden in Uganda und der Ukraine.

„Das ist jetzt kein Club von Gleichgesinnten und das will er auch nicht sein, sondern das ist ein Club von Autorinnen und Autoren in dieser ganzen Bandbreite“, sagte Yücel der dpa. „Wir können als Autorinnen und Autoren, Schriftsteller, Publizisten uns kompetent zu bestimmten Debatten äußern.“ Als Beispiel nannte Yücel das Thema Meinungsfreiheit und ihre Grenzen. „Jede Diskussion über Meinungsfreiheit ist auch immer eine Frage von Demokratie.“ Gemeinsam bleibe die Charta des PEN, „die Idee der praktischen Solidarität mit verfolgten Autorinnen und Autoren“.

Auch Menasse erkennt Besonderheiten in der neuen Vereinigung. „Diese große Bandbreite der Stimmen und der Vielfältigkeit, die Mischung von Frauen und Männern, von migrantischer Literatur wie anderer Literatur, allein das alles, was da zusammenkommt aus unserer Liste, kann und wird viel bewirken, zusätzlich zu den vielen prominenten Namen, die wir auch haben“, sagte Menasse der dpa. Die Schriftstellerin sieht den neuen Verband in Berlin nicht in Konkurrenz zur bestehenden Organisation. „Was wir dem PEN Darmstadt voraushaben, ist der Schwung, die Energie, auch der gute Wille und die Hoffnung von so vielen, die dort wirklich dramatisch verloren gegangen ist.“

Zu den Unterstützern des PEN Berlin zählen unter anderem Daniel Kehlmann („Tyll“), Christian Kracht („Eurotrash“), Karen Köhler („Miroloi“), Lucy Fricke („Die Diplomatin“), Ursula Krechel („Landgericht“), ebenso Thea Dorn, die das „Literarische Quartett“ im ZDF moderiert, Mithu M. Sanyal („Identitti“), Christian Berkel („Ada“) oder Feridun Zaimoglu („Hinterland“).

Weltweit gibt es mehr als 140 Schriftstellervereinigungen, die im internationalen PEN vereint sind. Die drei Buchstaben stehen für die Wörter Poets, Essayists und Novelists.

Unter Yücel hatte es im PEN-Zentrum Deutschland heftigen Streit gegeben. Dabei ging es etwa um den Führungsstil. Debattiert wurde auch über Aussagen Yücels, der sich während des Festivals Lit.Cologne für eine Flugverbotszone in der Ukraine ausgesprochen hatte.

Das deutsche PEN-Zentrum in Darmstadt sieht die angekündigte Neugründung als Ergänzung seiner Arbeit. „Wir sehen das als Bereicherung der Arbeit des PEN in dem Bemühen, uns neu aufzustellen“, hatte Generalsekretärin Claudia Guderian gesagt.

© dpa-infocom, dpa:220610-99-619297/4

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