Über 1400 Tote bei Erdbeben - Nachbeben in Türkei und Syrien | FLZ.de

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Veröffentlicht am 06.02.2023 11:18

Über 1400 Tote bei Erdbeben - Nachbeben in Türkei und Syrien

Menschen und Rettungsteams versuchen, eingeschlossene Bewohner in eingestürzten Gebäuden zu erreichen. (Foto: Uncredited/IHA/AP/dpa)
Menschen und Rettungsteams versuchen, eingeschlossene Bewohner in eingestürzten Gebäuden zu erreichen. (Foto: Uncredited/IHA/AP/dpa)
Menschen und Rettungsteams versuchen, eingeschlossene Bewohner in eingestürzten Gebäuden zu erreichen. (Foto: Uncredited/IHA/AP/dpa)

Bei der Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind mindestens 1400 Menschen ums Leben gekommen. Tausende wurden verletzt. Ein Beben der Stärke 7,7 erschütterte am frühen Montagmorgen die Südosttürkei. Am Mittag folgte dann eine fast ebenso schwere Erschütterung.

Die Zahl der Toten in der türkisch-syrischen Grenzregion ist nach den ersten Beben vom Morgen auf mehr als 1400 gestiegen. Allein in der Türkei kamen 912 Menschen ums Leben. Mehr als 5300 Menschen seien verletzt worden, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Montag. Mehr als 2400 Menschen seien aus den Trümmern gerettet worden.

In Syrien stieg die Zahl der Toten auf mehr als 460 Tote. Rund 1600 Menschen seien verletzt, berichteten der stellvertretende Gesundheitsminister Ahmed Dhamirijeh und die Hilfsorganisation SAMS, die in von Rebellen kontrollierten Gebieten des Landes arbeitet.

Das Epizentrum des ersten schweren Bebens lag nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde Afad in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze. Es gab eine große Zahl von Nachbeben. Regen, Schnee und Kälte erschwerten die Rettungseinsätze. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte zu, Deutschland werde selbstverständlich Hilfe schicken.

Wetter erschwert die Rettung

Die Wetterbedingungen erschwerten die Rettungsarbeiten, sagte Erdogan. In den betroffenen Provinzen herrschen zurzeit Minusgrade, in einigen Gegenden schneit es. Das Erdbeben mit Epizentrum im südtürkischen Kahramanmaras hatte die Südosttürkei am Montagmorgen erschüttert. Der türkische Katastrophendienst Afad korrigierte am Mittag die Stärke des Hauptbebens von 7,4 auf 7,7.

Mehrere Flughäfen in besonders von dem Erdbeben betroffen Regionen der Türkei blieben vorerst für zivile Flüge geschlossen. Dabei gehe es um die Flughäfen in Hatay, Kahramanmaras und Gaziantep, sagte Vizepräsident Fuat Oktay am Montagmorgen. Der Sender CNN Türk zeigte Bilder von einem tiefen Riss in einer Landebahn am Flughafen Hatay.

Hilfsorganisationen und Gemeinden in den betroffenen Regionen riefen neben Blutspenden auch zu Sachspenden auf und baten etwa um Decken, Heizer, Winterkleidung, Essenspakete und Babynahrung.

In Syrien stürzten der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge in zahlreichen Städten Gebäude ein. Rettungsteams versuchten in der Nacht und im Morgengrauen, Menschen aus den Trümmern zu ziehen. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums Raed Ahmed sagte laut Sana, dies sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Präsident Baschar al-Assad rief sein Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Videos zeigten Trümmerberge unter anderem aus der Provinz Idlib, teils kollabierten ganze Häuserreihen.

Krankenhäuser sind überlastet

„Wir reagieren mit allem, was wir können, um diejenigen zu retten, die unter den Trümmern liegen“, sagte der Leiter der Rettungsorganisation Weißhelme, Raed Al Saleh. „Die Krankenhäuser sind überlastet mit Schwerverletzten“, sagte ein Sprecher der Organisation. Regen und Kälte erschwerten die Einsätze zusätzlich. „Wir brauchen dringend die Hilfe der internationalen Gemeinschaft“, sagte Basel Termanini, Vorsitzender der Syrian American Medical Society (SAMS), der dpa. Die Lage sei „katastrophal“.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock sagten Hilfe zu. „Deutschland wird selbstverständlich Hilfe schicken“, schrieb Scholz (SPD) am Montag auf Twitter und zeigte sich bestürzt angesichts der Nachrichten aus den betroffenen Gebieten. „Die Zahl der Todesopfer steigt immer weiter. Wir trauern mit den Angehörigen und bangen mit den Verschütteten.“

Baerbock versprach: „Wir werden mit unseren Partnern rasch Hilfe auf den Weg bringen.“ Man sei am Montag „mit schrecklichen Nachrichten“ aus der Türkei und Syrien aufgewacht, schrieb die Grünen-Politikerin ebenfalls auf Twitter. „Meine Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer dieser furchtbaren #Erdbeben und allen, die um ihre Familie, Freunde, Nachbarn bangen.“

Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet im Nachbarland zu schicken. „Griechenland wird sofort helfen“, erklärte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Auch Israel will der Türkei humanitäre Hilfe leisten. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant wies Armee und Verteidigungsministerium an, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. „Unsere Sicherheitskräfte sind bereit, jegliche notwendige Hilfe zu leisten“, sagte Galant. Israel habe Erfahrung mit Notfällen und dem Retten von Menschenleben.

Hilfsdelegationen halten sich bereit

Der israelische Rettungsdienst Zaka teilte mit, man bereite die Entsendung einer Hilfsdelegation vor. Diese solle bei der Suche in eingestürzten Häusern helfen.

Israels Präsident Izchak Herzog sprach seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan und dem türkischen Volk sein Beileid aus. „Ich bin zutiefst betrübt über die enorme Katastrophe, die die Türkei nach dem Erdbeben der vergangenen Nacht heimgesucht hat“, teilte er auf Twitter mit. Auch der israelische Außenminister Eli Cohen kondolierte und kündigte Hilfe seines Ministeriums an.

Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.

Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben.

© dpa-infocom, dpa:230206-99-487117/20


Von dpa
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