Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage | FLZ.de

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Veröffentlicht am 16.05.2022 05:14

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Ukrainische Soldaten patrouillieren in einem kürzlich zurückeroberten Dorf nördlich von Charkiw in der Ostukraine. (Foto: Mstyslav Chernov/AP/dpa)
Ukrainische Soldaten patrouillieren in einem kürzlich zurückeroberten Dorf nördlich von Charkiw in der Ostukraine. (Foto: Mstyslav Chernov/AP/dpa)
Ukrainische Soldaten patrouillieren in einem kürzlich zurückeroberten Dorf nördlich von Charkiw in der Ostukraine. (Foto: Mstyslav Chernov/AP/dpa)

Nach wochenlanger Blockade haben gut 260 ukrainische Soldaten nach Behördenangaben das Asow-Stahlwerk in Mariupol verlassen.

Sie sollen in von russischen Truppen besetztes Gebiet gebracht werden und später in einem Gefangenenaustausch zurückkehren, wie der ukrainische Generalstab bei Facebook mitteilte.

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben russische Angriffsversuche im Osten des Landes weitgehend gestoppt und mehrere Munitionslager zerstört. „Durch den Beschuss feindlicher Depots, die in der Stadt Isjum stationiert waren, haben die Verteidigungskräfte große Munitionsbestände vernichtet“, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit.

Den Angaben der Kiewer Militärs zufolge wurden russische Angriffe in der ostukrainischen Donbass-Region überall abgewehrt. So seien Vorstöße Richtung Sjewjerodonezk, Lyman, Bachmut, Kurachowe und Awdijiwka zurückgeschlagen worden.

Nördlich von Charkiw seien die russischen Truppen zur Verteidigung übergegangen und versuchten, den Vormarsch der ukrainischen Streitkräfte Richtung Grenze zu stoppen. Bei der Kleinstadt Isjum, südlich von Charkiw bereiteten die Russen eine neue Offensive vor.

Mariupol wird dem Bericht nach weiter schwer von Artillerie und Luftwaffe beschossen. „Die Hauptanstrengungen des Feindes in Mariupol zielen auf die Blockade und Vernichtung unserer Einheiten im Werk Azovstal ab“, heißt es in dem Bericht.

Das russische Verteidigungsministerium hatte zuvor vom Beginn der Evakuierung des Stahlwerks berichtet. Demnach seien schwer verletzte ukrainische Kämpfer aus der Fabrik gebracht worden. Kiew hat diese Meldungen bislang nicht kommentiert. Unabhängig konnten die Angaben beider Seiten nicht überprüft werden.

Das ukrainische Verteidigungsministerium veröffentlichte ein Video mit einem Dutzend Soldaten neben einem Grenzpfahl in den Nationalfarben Blau und Gelb. Sie gehören den Angaben zufolge zu einer Freiwilligen-Brigade aus der Stadt Charkiw. In einem weiteren im Netz veröffentlichten Videoclip ist zu sehen, wie die Soldaten den Pfahl mitbringen und vor einem Graben mit russischen Grenzschildern platzieren.

Durch einen russischen Raketenangriff in der Nähe der Hafenstadt Odessa im Süden der Ukraine wurde ukrainischen Militärangaben zufolge eine touristische Unterkunft zerstört. Das Kommando Süd der ukrainischen Streitkräfte berichtete am Montag von mindestens drei verletzten Zivilisten. Zudem sei Feuer ausgebrochen. Ziel war demnach eine zuvor schon angegriffene und beschädigte Brücke über der Mündung des Flusses Dnister. Von russischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung.

Belarus wird nach Einschätzung britischer Geheimdienste mit der Stationierung von Truppen an der Grenze zur Ukraine vermutlich militärische Kräfte des Nachbarlands binden. Minsk wolle Spezialkräfte, Luftabwehr-, Artillerieeinheiten sowie Raketenwerfer zu Übungsplätzen im Westen des Landes schicken, hieß es am Montag in einem Bericht des Verteidigungsministeriums in London. Dies werde „wahrscheinlich ukrainische Truppen binden, so dass sie nicht zur Unterstützung im Donbass eingesetzt werden können“.

Entgegen anfänglicher Spekulationen seien belarussische Truppen bislang nicht in Kampfhandlungen verwickelt, so der Bericht. Das dortige Territorium sei aber als Ausgangspunkt für russische Vorstöße auf Kiew und Tschernihiw sowie für Luftschläge genutzt worden. Präsident Alexander Lukaschenko wäge wohl ab zwischen der Unterstützung Russlands und dem Wunsch, eine direkte militärische Verwicklung zu vermeiden. Eine solche Verwicklung könnte weitere Sanktionen des Westens, Vergeltungsschläge aus der Ukraine sowie Unzufriedenheit im eigenen Militär mit sich bringen.

Die Außenminister der EU-Staaten bewilligten derweil weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte. Das kündigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Abend nach einem Treffen mit den Ministern in Brüssel an. Damit erhöhen sich die für die Ukraine zur Verfügung stehenden EU-Mittel für Militärhilfe auf zwei Milliarden Euro.

Ein erstes Paket über 500 Millionen Euro war bereits Ende Februar bewilligt worden, zwei weitere folgten dann im März und April. Mit den Geldern werden laut EU-Angaben etwa persönliche Schutzausrüstung, Treibstoff, aber auch Waffen zur Verteidigung finanziert. Mit den weiteren 500 Millionen Euro solle nach Angaben von Borrell unter anderem Artilleriegeschütze und Panzerfahrzeuge zur Verfügung gestellt werden.

Ungeachtet schwerer russischer Angriffe kontrolliert die ukrainische Armee nach Angaben des regionalen Gouverneurs weiter rund zehn Prozent des ostukrainischen Gebiets Luhansk. Insbesondere die Außenbezirke der Städte Rubischne, Sjewjerodonezk und Lyssytschansk hätten die Russen bislang nicht einnehmen können, betonte Serhij Hajdaj. In der ebenfalls ostukrainischen Region Donezk wurden unterdessen am Sonntag laut der Regionalverwaltung bei russischen Angriffen drei Zivilisten getötet und 13 weitere verletzt.

Selenskyj will vor Parlamenten afrikanischen und asiatischer Länder sprechen, wie er in seiner täglichen Videoansprache sagte. In den vergangenen Monaten hatte der ukrainische Präsident unter anderem bei Parlamentariern in Europa per Videoschalte um Unterstützung geworben. Er hoffe unter anderem, dass dies den EU-Beitritt der Ukraine beschleunigen könne. In einer Woche will er sich auch an das Weltwirtschaftsforum in Davos wenden, wo unter anderem über den Wiederaufbau nach dem Krieg gesprochen werde.

Ein Ziel sei auch die Verschärfung der Sanktionen gegen Russland, betonte Selenskyj. „Die Besatzer müssen den steigenden Preis des Krieges für sie ständig spüren.“ Dabei sei das Erdöl-Embargo gegen Russland eine Priorität. „Egal wie sehr Moskau versucht, diese Entscheidung zu behindern, die Zeit der Abhängigkeit Europas von russischen Energieressourcen geht zu Ende. Und das wird sich auch nicht ändern“, sagte Selenskyj.

Die Stadtverwaltung der westukrainischen Stadt Lwiw wurde Ziel eines Cyberangriffs mutmaßlich russischer Hacker. Durch die Attacke am Freitag seien einige städtische Dienstleitungen nicht mehr verfügbar gewesen, schrieb Vize-Bürgermeister Andrij Moskalenko bei Facebook. Ein Teil davon sei bis Sonntag wiederhergestellt worden. Die Angreifer hätten auch Daten der Stadtverwaltung erbeutet, die danach beim Chatdienst Telegram veröffentlicht worden seien, schrieb Moskalenko. Die Ukraine steht schon lange im Visier von Hackergruppen, die von westlichen IT-Sicherheitsexperten dem Umfeld russischer Geheimdienste zugerechnet werden.

© dpa-infocom, dpa:220516-99-303576/10

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