Jugend in der Pandemie: Foto-Projekt ausgezeichnet | FLZ.de

arrow_back_rounded
Lesefortschritt
Veröffentlicht am 10.12.2022 08:21

Jugend in der Pandemie: Foto-Projekt ausgezeichnet

Fotograf Valentin Goppel steht neben einem seiner ausgestellten Fotos in der Galerie für Fotografie. (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)
Fotograf Valentin Goppel steht neben einem seiner ausgestellten Fotos in der Galerie für Fotografie. (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)
Fotograf Valentin Goppel steht neben einem seiner ausgestellten Fotos in der Galerie für Fotografie. (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)

Seine Bilder spiegeln den Schwebezustand junger Menschen in der Pandemie: allein am Meer, mit der Freundin eng umschlungen vor dem Laptop im Bett oder bei der heimlichen Party in der WG-Küche. „Zwischen den Jahren“ heißt das Projekt des 22 Jahre alten Fotografen Valentin Goppel, für das er schon mehrere Preise gewonnen hat. „Vor der Pandemie hatte einer von zehn jungen Menschen Depressionen, nach dem Lockdown einer von vier“, sagt der Student der Hochschule Hannover. Auch ihm sei der Boden unter den Füßen entglitten, wahrscheinlich weil es keine Ablenkung mehr gegeben habe.

„Wie fühlt es sich an, als junger Mensch aufzuwachsen?“, war eine der Leitfragen für das Projekt. Der Fotograf begleitete seine Freundinnen und Freunde ab Silvester 2020 mit der Kamera - etwa in Bayern in seinem Heimatort Regensburg oder in Hannover. „Manchmal bin ich eher Regisseur, manchmal eher Außenstehender“, erklärt Valentin Goppel seine Herangehensweise. In den inszenierten Bildern versuche er, Erinnerungen nachzustellen oder persönliche Wahrnehmungen zu visualisieren.

Das einzige Selbstporträt unter den Pandemie-Bildern zeigt ihn im April 2022 in seinem Bett zwischen Corona-Tests, Medikamenten, Pappschachteln und einer Bierflasche. „Da hatte mich Corona endlich auch erwischt.“ Was steht auf dem Zettel in seiner Hand? „Das ist ein Liebesbrief, kein Testzertifikat“, sagt der Fotograf lächelnd.

Dem 22-Jährigen sei es gelungen, den Stillstand der Pandemie, das diffuse Gefühl des Verlorenseins der jungen Generation und deren gleichzeitig vorsichtige Suche nach Lebendigkeit spürbar werden zu lassen, begründet die Jury des mit 10.000 Euro dotierten VGH Fotopreises 2022. Im Zusammenhang mit der Auszeichnung ist eine Auswahl der Arbeiten bis zum 15. Januar 2023 in der Galerie für Fotografie (GAF) in Hannover zu sehen.

Die Fotografien mit natürlichen Lichtquellen in warmen Farben schaffen eine besondere Intimität. Wenn zum Beispiel Mutter und Sohn am Tisch sitzen, werden unterschwellige Konflikte spürbar. Beim Besuch einer jungen Frau bei den Großeltern gibt es Momente ratlosen Schweigens. Häufig geht es auch um Zärtlichkeit oder gemeinsame Erlebnisse in der Natur - dem coronakonformen Ort der Begegnung.

Auch im Ernst Leitz Museum im hessischen Wetzlar können bis Ende Januar Bilder aus dem Projekt angeschaut werden. Goppel gewann in diesem Jahr den Leica Oskar Barnack Award (LOBA) in der Kategorie Newcomer. Inzwischen präsentiert er seine Arbeiten zudem auf internationalen Festivals. Zur im Mai 2023 beginnenden Ausstellung „Generation*. Jugend trotz(t) Krise“ in der Kunsthalle Bremen steuert der Student ebenfalls Bilder bei. Ein Fotobuch ist in Planung.

Als nächstes Projekt möchte der 22-Jährige gern in den USA fotografieren - auf den Spuren von Bildern, die er unter anderem aus Filmen kennt. „Wenn ich Jugendliche in Autos fotografiere, spiele ich auch mit Klischees“, sagt er. „Mich interessiert: Woher kommt meine Prägung?“

© dpa-infocom, dpa:221210-99-850883/3

north