Im Torres del Paine sorgen Pumas für Adrenalinschübe | FLZ.de

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Veröffentlicht am 28.11.2022 04:49

Im Torres del Paine sorgen Pumas für Adrenalinschübe

Tummelplatz der Tourengeher: Die drei Granitnadeln Torres del Paine sind die Wahrzeichen des Nationalparks. (Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn)
Tummelplatz der Tourengeher: Die drei Granitnadeln Torres del Paine sind die Wahrzeichen des Nationalparks. (Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn)
Tummelplatz der Tourengeher: Die drei Granitnadeln Torres del Paine sind die Wahrzeichen des Nationalparks. (Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn)

Es wird gerade langsam hell, als Wanderguide José Ignacio Roca mit seiner Gruppe den Sarmiento-See erreicht. Die meisten sind noch ein wenig verschlafen. Die Fahrt von Puerto Natales, dem Backpacker-Städtchen am Última Esperanza Fjord, ging bereits um 5 Uhr morgens los.

Doch das Warnschild am Eingang zum Nationalpark Torres del Paine lässt alle hellwach werden. Mit „potenzieller Angriffsgefahr“ weist das Holzschild auf die Anwesenheit von Pumas auf dem Wanderpfad hin. Roca beruhigt sofort: „Wir interessieren die Pumas gar nicht. Wir gehören nicht in ihr Beuteschema.“

Wen die bis zu 80 Kilogramm schweren Raubkatzen stattdessen gern fressen, wird schnell klar - Guanakos. Immer wieder sieht man die abgekauten Skelette der Lama-ähnlichen Andenkamele nur wenige Meter neben dem Trampelpfad. Frischer Puma-Kot lässt das Adrenalin ins Blut schießen, auch wenn man nicht auf der Speisekarte steht.

Rund 100 Pumas leben in der Zone. An kaum einem anderen Ort Südamerikas kann man so viele der Raubkatzen antreffen wie hier. Immer wieder sind an diesem Tag Guanako-Herden zu sehen. Plötzlich setzt sich eine kleine Gruppe der Tiere fluchtartig in Bewegung.

Roca gibt zu verstehen, dass alle stehenbleiben und leise sein sollen. Mit dem Fernglas sucht der Guide die Buschlandschaft ab. „Da ist einer“, sagt er und zeigt auf eine weit entfernte Bergkuppe. Doch der Puma ist mit bloßem Auge nicht zu sehen. Als er das Fernglas weitergibt, ist das Raubtier auch schon wieder verschwunden.

Zwei Routen rund um die Türme des blauen Himmels

Die majestätischen Kondore am Himmel zu sehen, ist aber Entschädigung genug für die ausgebliebene Puma-Sichtung. Und bereits am nächsten Tag steht ein neues Abenteuer auf dem Programm - die Torres del Paine, die „Türme des blauen Himmels“.

Die drei gewaltigen, bis zu knapp 3000 Meter hohen Granitnadeln, die dem Nationalpark ihren Namen geben, sind dessen Wahrzeichen. Der Park im chilenischen Teil Patagoniens erstreckt sich über eine Fläche von gut 2400 Quadratkilometern. Seine wilde Landschaft ist geprägt von türkisblauen Seen, unberührten Laubwäldern, verschneiten Bergen, Fjorden, reißenden Flüssen, Wasserfällen und Gletschern.

Bevor das Wanderabenteuer losgeht, müssen auch Natalia Gómez und Camila Espinoza wie die anderen Wanderer am Besucherzentrum zwischen „O“ und „W“ wählen. „O“ ist ein 130 Kilometer langer Rundweg, bei dem in acht Tagen bis zu 4500 Höhenmeter überwunden werden müssen. Die Pfade sind einsam und fernab jeglicher Zivilisation mit wenigen Schutzhütten. Verpflegung und Zelt muss man mitnehmen.

Die beiden Krankenschwestern aus der Hauptstadt Santiago de Chile wählen deshalb die einfachere „W“-Route. Sie ist 70 Kilometer lang, 2500 Höhenmeter sind in vier Tagen zu überwinden. Auf dieser Strecke befinden sich mondäne Hotels, Schutzhütten und Campingplätze mit Vollpension, weshalb kein Proviant mitgeschleppt werden muss.

Anstrengender Weg zum Postkarten-Panorama

Die erste Tagesetappe hat es gleich in sich. Doch sie lohnt sich, denn sie führt zu dem chilenischen Postkartenmotiv schlechthin. Bis zum Aussichtspunkt Mirador de Las Torres am Gletschersee unterhalb der ikonischen Torres del Paine-Felsen geht es gut neun Kilometer permanent bergauf, fast 1200 Höhenmeter.

Die meisten stehen schon früh auf, um die weltberühmten schmalen Felstürme beim Sonnenaufgang im orangen Licht zu sehen. Doch Natalia und Camila wollen es ruhig angehen. „Als Krankenschwestern haben wir zwei harte Corona-Jahre hinter uns. Wir wollen dieses Naturwunder hier entspannt genießen“, sagt Natalia.

Die Granitnadeln entstanden vor mehr als zehn Millionen Jahren. Dann formten eiszeitliche Gletscher die Felstürme, über deren Spitzen nicht selten Andenkondore ihre Runde drehen.

„Allein für diesen Anblick hat sich die Reise nach Patagonien schon gelohnt“, sagt Camila. Am Abend fallen die beiden Krankenschwestern erschöpft, aber glücklich in ihr Etagenbett.

Am nächsten Tag geht es ohne größere Steigungen durch eine Hügellandschaft den fast schon kitschig schönen Nordenskjöld-See entlang. Rechts des Sees fallen unzählige Wasserfälle von den steilen Schrägwänden des noch darüberliegenden Cuernos-Felsmassivs. Es trägt den Namen wegen der Hörner-Form der Gipfel und muss sich in Sachen optischer Wucht nicht vor den Torres del Paine verstecken.

Ein bedrohliches Donnern

Am dritten Tag heißt es früh aufstehen. Feuerrot begrüßt der Morgenhimmel. Nach einem einstündigen Marsch stellen wir die schweren Rucksäcke im „italienischen Camp“ (Campamento Italiano) ab, um nur mit einem Tagesrucksack zum Aussichtspunkt Mirador Británico zu wandern. Drei Stunden geht es hoch und drei Stunden runter.

Bedrohlich schallt ein gewaltiges Donnern durch die dunklen Laubwälder. Kein aufziehendes Gewitter, sondern Lawinen, die vom auf den Bergkuppen ruhenden Gletscher abstürzen. Immer wieder, fast im Zehn-Minuten-Takt, rutschen gewaltige Schneemassen die Steilwände hinab und vermischen sich mit den Wasserfällen.

Der Himmel über dem Kessel des Vallée del Francés zieht sich bedrohlich zu. Der Aufstieg wird in einem Geröllfeld schließlich zur Kletterpartie. Doch oben angekommen sind all die Mühen vergessen. Die Bergkulisse mit dem Cuernos-Massiv ist wie aus einem Bilderbuch. Man thront über dem unendlich erscheinenden patagonischen Urwald.

Gewaltige Gletscherzungen

Die letzte Tagesetappe ist im Vergleich zum Vortag ein Kinderspiel. Nur vier Stunden Laufzeit. Doch das schafft niemand. Wie auch, wenn auf dem See des Grey-Gletschers immer mehr knallblaue Eisschollen angeschwommen kommen, die alle bewundert werden müssen.

Schließlich steht man vor einer gewaltigen Eiswand. Die Gletscherzunge gehört zum südpatagonischen Eisfeld, der größten Eisfläche auf der Südhalbkugel außerhalb der Antarktis. Allein der Grey-Gletscher ist 28 Kilometer lang.

Vom Grey-Campingplatz aus kann man das Ausflugsboot zum Hotel Lago Grey nehmen. Hier stehen Shuttlebusse nach Puerto Natales bereit. Das Boot fährt an den gewaltigen Eismauern vorbei, die man aus nächster Nähe mit einem chilenischen Pisco Sour in der Hand bestaunen kann. Ehrensache, dass der Cocktail auf Basis des chilenischen Nationalgetränks hier mit Gletschereis serviert wird.

© dpa-infocom, dpa:221125-99-662746/3

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