Im Schlemmerzug durch Spaniens grünen Norden | FLZ.de

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Veröffentlicht am 23.01.2023 04:19

Im Schlemmerzug durch Spaniens grünen Norden

Während des Abendessens geht über dem Meer die Sonne unter. (Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn)
Während des Abendessens geht über dem Meer die Sonne unter. (Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn)
Während des Abendessens geht über dem Meer die Sonne unter. (Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn)

Ein sanfter Ruck holt die noch schlafenden Gäste aus den Träumen. Im Schritttempo verlässt der Costa Verde Express den kleinen Bahnhof von Viveiro. Frühnebel liegt über dem Küstenstädtchen im äußersten Nordwesten Spaniens.

Der spritzige galicische Albariño-Weißwein, der beim Abendessen im Speisewagen zu Languste und Oktopus-Armen serviert wurde, lässt die meisten noch etwas weiterdösen. Das einsetzende rhythmische Rattern des Zugs macht das Aufstehen nicht leichter. Doch auf dem Korridor klingelt das Zugpersonal bereits mit einem Glöckchen: Frühstück.

Im Speisewagen duftet es nach warmen Croissants, frischem Kaffee, Ibérico-Schinken und Rührei. Eine Stewardess in weißer Uniform bittet an einen freien Tisch mit Stoffservietten, frischen Blumen und einem Lämpchen mit gelbmarmoriertem Glasschirm. Immer wieder verlockt die vorbeiziehende Küstenlandschaft zum Blick aus dem Fenster.

Lange Sandstrände wechseln sich mit schroffen Felsklippen ab. Dazwischen geht die Fahrt durch dichte Wälder, vorbei an alten Fischerdörfern. Mit gemächlichen 50 Stundenkilometern fährt der Costa Verde Express auf alten Schmalspurgleisen teils nur wenige Meter am Kantabrischen Meer vorbei. Die Strecke verläuft teils auch parallel zum nördlichen Jakobsküstenweg, dem Camino del Norte.

Mehr Bummelzug als Express

Während sich die Jakobspilger zu Fuß entlang der Costa Verde, der „Grünen Küste“, kämpfen müssen, sitzen Julio Cesar Pallucchini und seine Frau Liliana in der holzvertäfelten, mit Teppichen ausgelegten Lounge des Costa Verde Express und genießen die Landschaft im Wohlfühlmodus bei einem Café con leche.

„Gott sei Dank macht der Zug seinem Namen nur teilweise Ehre“, sagt Julio. Die Grüne Küste sei wirklich beeindruckend grün. Andererseits freut er sich, sagt Julio, dass es kein Express-, sondern eher ein Bummelzug ist. So kann man die Landschaft in Ruhe beobachten.

Genau diese Art entschleunigenden Reisens habe er gesucht. „Und natürlich das gute Essen“, sagt er und lacht.

Die Zugfahrt führt durchs Baskenland, Kantabrien, Asturien und Galicien: Spaniens Schlemmerhochburgen schlechthin, wie Laura López sagt. Sie ist Chefköchin an Bord des Costa Verde Express. So spielt das Essen auch eine besondere Rolle auf dieser Zugfahrt.

Während auf den täglichen Ausflügen in Restaurants gespeist wird, bereiten Laura und ihre Kollegin Daniela abends Delikatessen aus der Region vor, wo der Zug gerade Halt macht. Jakobsmuscheln und Oktopus in Galicien, Wildlachs, Fabada-Eintopf und Cabrales-Käse in Asturien, der Eintopf Cocido Montañes in Kantabrien, Stockfisch im Baskenland.

Die spanische Antwort auf den Orientexpress

Der Costa Verde Express gehört zu den sogenannten historischen Königszügen der staatlichen Bahngesellschaft Renfe. Es sind so etwas wie spanische Orientexpress-Versionen, die an Zugreisen aus einem vergangenen Jahrhundert erinnern.

Sechs Tage braucht der Nostalgiezug im Belle-Époque-Stil für die rund 600 Kilometer zwischen Bilbao im Baskenland und dem galicischen Wallfahrtort Santiago de Compostela. Je nach Termin, geht es in die eine oder in die andere Richtung.

Dieses Mal startete das Zugabenteuer am Apostelgrab des Heiligen Jakob in Santiago de Compostela. Über dem Grab steht die Kathedrale, die das Ziel des Jakobswegs ist.

Der erste Jakobspilger und eine Sixtinische Kapelle

Der Zug macht auf seiner Reise auch Halt in Oviedo. Von der Kathedrale der Stadt startet der erste Jakobsweg. Asturiens König Alfons II. soll nach der Entdeckung des Apostelgrabs im Jahre 812 aus Oviedo als erster Jakobspilger nach Galicien geritten sein.

In Cabezón de la Sal in Kantabrien bleibt der Zug wie jeden Abend im Bahnhof stehen, damit die Passagiere schlafen können. Durchs Schiebefenster strömt kühle Landluft, Grillen zirpen.

Am nächsten Morgen wird allen klar, warum Spaniens Norden so grün ist: Es regnet in Strömen. Auf dem Bahnsteig verteilt das Zugpersonal Regenschirme für den Ausflug. Eine halbe Stunde braucht der Bus bis zur Höhle von Altamira, die häufig als Sixtinische Kapelle der Steinzeit bezeichnet wird.

Die prähistorischen Höhlenmalereien von Wisenten, Hirschen und Pferden sind gut 14 000 Jahre alt. Heute kann nur noch eine kleine Zahl ausgeloster Glückspilze die Originalhöhle besuchen, im Schutzanzug und mit Atemmaske. Doch der Unterschied zu der Höhlen-Replik nebenan ist kaum auszumachen.

Futuristische Kunsttempel im Doppelpack

Mittagessen gibt es zwei Kilometer weiter in Santillana del Mar. Adelswappen und blumengeschmückte Holzbalkone zieren die Steinhäuser. Das Klarissinnenkloster Colegiata de Santa Juliana gehört zu den bedeutendsten romanischen Sakralbauten Kantabriens.

Geradezu jung wirkt im Vergleich Kantabriens elegante Hauptstadt Santander mit ihren prachtvollen Jugendstil-Gebäuden. Vor einigen Jahren eröffnete hier das silbergeschuppte Centro Botín. Direkt an Flusspromenade gebaut, bietet der Prunkbau der Bankiersfamilie Botín, Besitzer der Santander Bank, modernste Avantgarde-Kunst.

Doch mit dem weltberühmten Guggenheim-Museum in der baskischen Küstenmetropole Bilbao kann das Centro Botín nicht konkurrieren. Das aus silbernen Titanplatten geformte Gebäude am Nervión wirkt wie eine gigantische Serviette und ist aus dem Costa Verde Express schon von weitem zu sehen. Der Ausblick kündigt das Ende der Fahrt an. Denn Bilbao ist der Zielbahnhof des Zugs.

Costa Verde Express

© dpa-infocom, dpa:230120-99-296821/3

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