Getaria im Baskenland: Die Heimat des ersten Weltumseglers | FLZ.de

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Veröffentlicht am 17.08.2022 04:24

Getaria im Baskenland: Die Heimat des ersten Weltumseglers

Sonnenuntergang am Gaztetape-Strand von Getaria: Er liegt dem offenen Meer zugewandt, was ihn wegen der Wellen für Surfer attraktiv macht. (Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn)
Sonnenuntergang am Gaztetape-Strand von Getaria: Er liegt dem offenen Meer zugewandt, was ihn wegen der Wellen für Surfer attraktiv macht. (Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn)
Sonnenuntergang am Gaztetape-Strand von Getaria: Er liegt dem offenen Meer zugewandt, was ihn wegen der Wellen für Surfer attraktiv macht. (Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn)

Schräg fallen gewaltige Gesteinsfalten hinab bis zum Strand. Darüber strahlen Wiesen in krassem Grün. Scharfkantige Felslamellen ziehen sich unten weit ins Meer vor der baskischen Küste. Erdverschiebungen und das Wasser haben die bizarre Klippenlandschaft bei Zumaia geformt.

Vom Meer aus hat man die beste Sicht auf das Naturwunder. Die Wechselfolge von marinen Sedimenten aus Tonsteinen und grobkörnigeren Sandsteinen, die Flysch genannt wird, bildet fast lückenlos die Geschichte der Erde in den vergangenen 60 Millionen Jahren ab.

Eine schwarz-grüne Sedimentschicht zeigt den Moment, in dem ein gigantischer Asteroid im heutigen Golf von Mexiko in den Erdmantel einschlug, den gesamten Globus mit Asche und Feuer überzog und schließlich das Aussterben der Dinosaurier herbeiführte.

Für Juan Sebastián Elcano waren die beeindruckenden Felsformationen im Herbst 1522 hingegen das Zeichen, endlich wieder zu Hause zu sein. Nur wenige Kilometer weiter muss der Seefahrer dann den bewaldeten Inselberg San Antón gesichtet haben, der hoch über dem Hafenkai seines Heimatstädtchens Getaria thront.

Elcano (1487-1526) hatte eines der größten Seeabenteuer der Geschichte hinter sich - die erste Weltumsegelung, die zugleich bewies, dass die Erde rund ist. Seine Zeitgenossen feierten ihn als Helden. Noch heute sind ihm Plätze und Straßen in Getaria gewidmet.

Der Fischerverband wurde nach ihm bekannt. Seine Statuen stehen gleich auf mehreren Plätzen des wunderschön zwischen zwei Stränden eingekeilten Fischerdorfs. Am Malkorbe-Sandstrand kann man herrlich baden. Am Gaztetape-Strand ist das Meer welliger. Hier treffen sich die Surfer. Ein riesiges Denkmal über den Fundamenten einer alten Bastion erinnert an Elcanos historische Entdeckungsfahrt.

Am 20. September 1519 machte er sich aus dem südspanischen Sanlúcar de Barrameda unter Führung des portugiesischen Seefahrers Ferdinand Magellan auf den Weg, eine westliche Seeroute zu den indonesischen Gewürzinseln, den Molukken, zu suchen. Elcano war Kapitän der „Concepción“, einem der fünf Schiffe der Expedition.

„Heute denkt fast jeder an Magellan, wenn es um die erste Erdumrundung geht. Aber das ist eine historische Ungerechtigkeit“, sagt der Historiker Daniel Zulaika, der ein Buch über Elcano verfasst hat. „Magellan hatte weder geplant, die Erde zu umrunden, noch hat er es je geschafft.“

Es sei aber Magellan gewesen, der die Expedition bis zur Hälfte der Strecke anführte und als getöteter Held zum Mythos wurde, gegen den Elcano nicht gewinnen konnte, sagt Zulaika. „Tatsächlich war es aber Elcano, unter dessen Kommando die Weltumsegelung vollbracht wurde.“

Von den insgesamt 247 Männern der Expedition kamen am 6. September 1522 an Bord der „Victoria“ nur noch 18 abgemagerte Gestalten wieder in Spanien an. Skorbut, Stürme, Meutereien und Gefechte hatten die meisten das Leben gekostet. Magellan starb bereits zur Hälfte der historischen Erdumrundung am 27. April 1521 im Pfeilhagel philippinischer Inselbewohner.

Nach Magellans Tod übernahm Elcano das Kommando über die verbliebenen Schiffe und segelte von den Philippinen zu den Gewürzinseln. Für den Rückweg wählte er die Route um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas und vollendete nach fast drei Jahren die niemals geplante Erdumsegelung. Spaniens König verlieh ihn ein von einer Weltkugel gekröntes Adelswappen mit der lateinischen Inschrift „Primus circum dedisti me“ („Als Erster hast du mich umfahren.“).

In Getarias gotischer Kirche San Salvador, in der Elcano getauft wurde und sein Vater beerdigt ist, steht diese Inschrift auf einer alten Steinplatte in Erinnerung an den baskischen Nationalhelden. „Viele denken deshalb, Elcano wäre hier begraben. Aber das stimmt nicht. Er starb 1526 auf einer zweiten Expedition zu den Gewürzinseln an Skorbut“, erklärt Historiker Zulaika.

Natürlich hat sich das ehemalige Walfischerdorf seit Elcanos Zeiten verändert. Bei einem Großbrand 1597 wurde auch das Geburtshaus des Seefahrers zerstört. Ein Schild zeigt noch den genauen Standort an.

Dennoch blieb der mittelalterliche Stadtkern größtenteils erhalten, versichert Zulaika auf einem Stadtrundgang. Die Kirche, die vier Straßengassen zum Hafen, die Verteidigungstunnel, die durch die Stadtmauer zum Meer führen - all das gab es schon zu Elcanos Zeiten.

Getaria war damals einer der wichtigsten Fischereihäfen im Golf von Biskaya, stand unter königlichem Schutz. Vom Berg San Antón, auf dem bewaldete Wanderwege zum Leuchtturm heute immer wieder Blicke aufs Meer und auf Getaria freigeben, konnte man nicht nur Wale, sondern auch die feindlichen Schiffe aus dem nahen Frankreich sichten.

Heute noch besitzt Getaria eine große Fischereiflotte. In den pittoresken Gassen der Altstadt riecht es überall nach gegrilltem Fisch. Vor fast jedem Restaurant brutzeln Seebrassen, Rochen, Barsche und andere fangfrische Leckerbissen auf dem offenen Kohlefeuer. Drinnen stehen die Theken voll mit Pintxos, der baskischen Gourmet-Antwort auf die spanischen Tapas.

Feinkostfirmen bieten Fischprodukte, Meeresfrüchte und Anchovis in Konserven an. Das Fischerdorf hat mehrere kleine Konservenfabriken. Beim Feinkostunternehmer Maisor im Hafen kann man den Frauen über die Schulter gucken, wie sie per Hand Sardinen und Thunfische säubern und einlegen. Bei der Verköstigung wird natürlich Txakoli getrunken.

Der junge baskische Weißwein wird vor allem rund um Getaria hergestellt. Der Ort ist von Txakoli-Weinbergen eingekesselt. Bis zu 30 Betriebe produzieren hier den spritzig-fruchtigen Küstenwein.

„Neben dem feucht-regnerischen Klima ist es vor allem die salzige Meeresluft des nahen Atlantiks, die unseren Txakolis ihren besonderen Geschmack geben“, sagt Txakoli-Winzer Joseba Lazkano. Ob Elcano den Weißwein schon getrunken hat? Gut möglich. Die ersten Aufzeichnungen zum Anbau reichen noch weit länger zurück.

© dpa-infocom, dpa:220816-99-406943/6

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