Frauenfußball nach der EM? „Chance groß wie selten“ | FLZ.de

arrow_back_rounded
Lesefortschritt
Veröffentlicht am 30.07.2022 05:18

Frauenfußball nach der EM? „Chance groß wie selten“

Der Erfolg der DFB-Frauen bei der EM könnte eine Chance für den Frauenfußball in Deutschland sein. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
Der Erfolg der DFB-Frauen bei der EM könnte eine Chance für den Frauenfußball in Deutschland sein. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
Der Erfolg der DFB-Frauen bei der EM könnte eine Chance für den Frauenfußball in Deutschland sein. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Wenn Laura Freigang, Sophia Kleinherne und Sara Doorsoun mit der Eintracht sieben Wochen nach dem EM-Finale zum Bundesliga-Auftakt auf ihre DFB-Kolleginnen Klara Bühl, Giulia Gwinn, Lina Magull, Lea Schüller, Linda Dallmann und Sydney Lohmann vom FC Bayern treffen, wird der deutsche Fußball genau hinschauen.

Wie viele Zuschauer sind dann im großen Frankfurter Stadion dabei? Und: Was ist geblieben, was wurde aus der Begeisterung um das deutsche Team nach diesem mitreißenden Turnier in England?

Das so genannte Highlight-Spiel am Main am 16. September soll eine Trendwende in einer Liga einleiten, in der zuletzt gerade mal rund 1000 Zuschauer im Schnitt zu den Partien kamen. Dass so etwas zumindest in Teilen funktionieren kann, hat die vergangene Champions-League-Saison gezeigt: Zur Partie des FC Barcelona gegen den VfL Wolfsburg im Camp Nou kamen 91.648 Fans - so viele wie noch nie bei einem Frauen-Spiel auf der Welt.

Eindringlich mahnte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bei der Pressekonferenz vor dem Endspiel gegen England an, dass diese EM eine dauerhafte Wirkung haben müsse. „Es muss eine große Chance jetzt sein in allen Ländern, die nächsten Schritte im Frauenfußball zu machen. Wenn nicht jetzt, wann dann?“, sagte die 54-Jährige. „Wir werden am Ende nur dann gewinnen, wenn wir all das, das was jetzt gerade passiert - ob in Deutschland, in Europa oder in England - wenn wir das auch mit einer Nachhaltigkeit beenden können (...) es muss etwas davon übrig bleiben.“

Siegfried Dietrich, langjähriger Macher der Frankfurter Bundesliga-Spielerinnen und Vorsitzender des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesliga, ist überzeugt, dass es jetzt „einen Ruck nach vorne gibt.“ Doch das ist nicht neu: Nach jedem seiner vielen Titel - acht bei der EM, 2003 und 2007 bei der WM sowie Olympia-Gold 2016 - hatte man sich das beim DFB und in der Liga erhofft. Auch nach der Heim-WM 2011, deren Wirkung verpuffte. Die Zuschauer-Bestmarke steht seit 2014 bei 12.464, als die heutige deutsche Kapitänin Alexandra Popp mit ihrem Kopfballtor den VfL Wolfsburg gegen Frankfurt zum deutschen Meister kürte.

Der internationale Aufschwung des Frauenfußballs aber ist unverkennbar, die öffentliche Aufmerksamkeit für das DFB-Team war in den vergangenen Tagen enorm. „Das Entscheidende bei dieser EM ist das Auftreten aller Spielerinnen, diese Mentalität. Das hilft uns extrem“, sagte Ralf Kellermann, Sportlicher Leiter und früherer Erfolgstrainer in Wolfsburg, der Deutschen Presse-Agentur. „Die Identifikation mit der Nationalelf ist so groß wie lange nicht. Jetzt sind wir alle gefordert, Verband und Vereine, diesen Schwung mitzunehmen.“

Das erste Auswärtsspiel des Meisters und Pokalsiegers am 24. September bei der TSG 1899 Hoffenheim wird nicht nur von MagentaSport, sondern auch von der ARD live gezeigt. Bei den TV-Übertragungen könnte sich mittelfristig einiges ändern: Der DFB hat jetzt die audiovisuellen Medienrechte der Bundesliga für die Spielzeiten 2023/2024 bis 2026/2027 ausgeschrieben.

Entscheidend für eine bessere Vermarktung ist aber vor allem, dass EM-Stars wie Alexandra Popp, Lena Oberdorf, Giulia Gwinn, Merle Frohms oder Lina Magull nicht mehr nur Insidern ein Begriff sind.

„Ich habe immer gesagt, wir brauchen Sichtbarkeit, aber wir brauchen auch Gesichter“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf in England. „Das sind Spielerinnen, die wahrscheinlich einer größeren Öffentlichkeit vor wenigen Wochen noch gar nicht so bekannt waren, die auf einmal in aller Munde sind.“ Man brauche wie bei den Männern Nationalspielerinnen „mit großem Bekanntheitsgrad“ als Vorbilder auch für den Nachwuchs.

Vor allem Instagram, TikTok und Co. helfen dabei. „Ich glaube, wir haben eine Social-Media-Europameisterschaft erlebt mit enormen Klickraten. Das führt dazu, dass man einen gewissen Bekanntheitsgrad hat“, sagte Joti Chatzialexiou, Leiter Nationalmannschaften beim DFB. „Da müssen wir alle die Köpfe zusammenstecken und schauen, wie wir das über die nächsten Jahre pushen können.“

Der sportliche Erfolg der deutschen Fußballerinnen spiegelt sich nach DFB-Angaben auch im Wachstum der TV-Reichweite und des Marktanteils wider. Die Social Media-Kanäle des Frauenteams verzeichnen demnach seit Beginn der EM „ein signifikantes Wachstum“.

Das nächste Großereignis für die DFB-Frauen steht bereits 2023 an mit der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August), wenn sich die Fußball-Frauen wie erwartet dafür qualifizieren. „Das wird uns auch nützen und ist quasi eine Chance auf dem Silbertablett. Wir müssen einfach dranbleiben. Die Chance ist so groß wie selten“, sagte Kellermann.

„Ich hoffe, dass wir tatsächlich auch mit dem Bundesliga-Auftakt eine Euphorie setzen beziehungsweise weiterführen können“, sagte Chatzialexiou. Er verwies auch auf laufende Prozesse und Projekte beim Verband, der bei den Mädchen mit Nachwuchssorgen zu kämpfen hat. Mit der „Strategie Frauen im Fußball FF27“ sind ehrgeizige Ziele verbunden. Für die Austragung der WM 2027 bewirbt sich der DFB gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien. Die mediale Reichweite des Frauenfußballs soll sich bis dahin über alle Plattformen hinweg verdoppeln.

© dpa-infocom, dpa:220729-99-207746/6

north