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Veröffentlicht am 28.02.2024 13:14

Frauen arbeiten deutlich mehr unbezahlt als Männer

Eine Mutter nimmt an einer Videokonferenz teil, während sie die Wäsche im Kinderzimmer zusammenlegt. (Foto: Annette Riedl/dpa)
Eine Mutter nimmt an einer Videokonferenz teil, während sie die Wäsche im Kinderzimmer zusammenlegt. (Foto: Annette Riedl/dpa)
Eine Mutter nimmt an einer Videokonferenz teil, während sie die Wäsche im Kinderzimmer zusammenlegt. (Foto: Annette Riedl/dpa)

Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung, Einkauf und Haushalt: Frauen in Deutschland verbringen damit im Schnitt täglich viele Stunden - deutlich mehr als Männer, wie eine Studie zeigt. Männer leisten demnach nicht nur deutlich weniger unbezahlte Arbeit, sie arbeiten auch insgesamt etwas weniger. Die sogenannte „Gender-Care-Gap“ liegt einer Studie des Statistischen Bundesamts zufolge bei rund 44 Prozent. Demnach verbringen Frauen deutlich mehr Zeit mit unbezahlter Arbeit als Männer.

Frauen arbeiten deutlich mehr unbezahlt als Männer

„Damit leisten Frauen am Tag durchschnittlich eine Stunde und siebzehn Minuten mehr unbezahlte Arbeit als Männer“, sagte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand, in Berlin. Unbezahlte Arbeit beziehe sich dabei etwa auf Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und soziales Engagement sowie die Unterstützung haushaltsfremder Personen. Basis ist eine Studie von 2022, die untersucht, wie Menschen ihre Zeit aufteilen. Zuletzt war die Studie im Jahr 2012/2013 durchgeführt worden. Damals hatte die „Gender-Care-Gap“ noch bei rund 52 Prozent gelegen.

Frauen verbringen der aktuellen Studie zufolge im Schnitt fast 45,5 Stunden pro Woche mit Arbeit, knapp 30 Stunden davon mit unbezahlter Arbeit. Bei Männern sieht das anders aus: Sie verbringen mit knapp 21 Stunden weniger als die Hälfte ihrer 44-Stunden-Woche mit unbezahlter Arbeit. Damit arbeiten sie insgesamt weniger als Frauen. „Im Jahr 2022 arbeiteten Frauen rund 1,5 Stunden mehr als Männer. 2012/2013 hatte der Unterschied nur etwa 1 Stunde betragen“, erklärte Brand.

Fast die Hälfte der unbezahlten Tätigkeit setzt sich bei Frauen dabei aus klassischer Hausarbeit wie Kochen, Putzen und Wäsche waschen zusammen - in einer Woche verbringen Frauen damit mehr als 13 Stunden, Männer nur halb so viel. 

Frauen stecken doppelt so viel Zeit in Kinderbetreuung

Mit Haushaltsorganisation und Einkäufen verbringen Frauen den Angaben nach fast fünf Stunden pro Woche, Männer rund vier. Für andere unbezahlte Tätigkeiten wie Gartenarbeit, handwerkliche Tätigkeiten oder soziales Engagement wenden beide Geschlechter etwa gleich viel Zeit auf. Bei der Kinderbetreuung sieht das anders aus - hier investieren Mütter den Ergebnissen zufolge im Schnitt fast doppelt so viel Zeit wie Väter. 

Dabei würden sich Mütter gern mehr mit bezahlter Arbeit beschäftigen: Jede vierte erwerbstätige Mutter gab an, dass sie gern mehr Zeit für ihre Erwerbstätigkeit hätte. Demgegenüber würde jeder vierte Vater lieber weniger Zeit mit der Erwerbstätigkeit verbringen und sich stattdessen lieber anderen Dingen widmen.

Eltern leisten mehr Arbeit als Elternlose

Der Umfang der geleisteten Arbeit von Erwachsenen ist laut Studie abhängig davon, ob sie in einem Haushalt mit oder ohne Kinder leben. Elternteile, sowohl Alleinerziehende als auch Paare mit Kindern, arbeiten im Schnitt 57 Stunden pro Woche. Damit leisten Eltern etwa 11 Stunden mehr Arbeit als kinderlose Erwachsene. Besonders groß ist hier der Unterschied bei den Männern: Väter arbeiten im Schnitt 12 Stunden mehr pro Woche als Männer ohne Kinder. 

Insgesamt leisten Mütter kleiner Kinder weniger Erwerbsarbeit als Frauen ohne Kinder im Haushalt. „Stattdessen werden Kinderbetreuung und Haushaltsführung vor allem in den ersten Lebensjahren der Kinder vorrangig von den Müttern übernommen, während Väter tendenziell die traditionelle Rolle des Hauptverdieners einnehmen“, hieß es vom Statistischen Bundesamt.

Familienministerin Paus kritisiert ungleiche Verteilung

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) kritisierte die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit: „Für Frauen bedeutet das meist: ein geringeres Gehalt, weniger berufliche Chancen und eine prekäre Alterssicherung.“ Es sei wichtig, dass Frauen wirtschaftlich auf eigenen Beinen stünden. Das gelinge aber nur, wenn Frauen und Männer unbezahlte Sorgearbeit gemeinsam übernähmen. „Daher investieren wir weiter in den Ausbau und die Qualität der Kindertagesbetreuung“, sagte Paus.

Die Frauenrechtsorganisation der Vereinten Nationen forderte eine Aufwertung der Sorgearbeit. „Professionelle Sorgearbeit muss endlich finanziell aufgewertet werden und unbezahlte Sorgearbeit muss gesellschaftlich anerkannt und fair verteilt werden“, sagte die Vorsitzende der UN Women Deutschland, Elke Ferner. Auch das Zukunftsforum Familie forderte von der Bundesregierung bessere Rahmenbedingungen, um Frauen und Männern eine fairere Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zu erleichtern, und mehr Unterstützung für die Pflege.

Einsamkeit erstmals Thema in der Erhebung

Zum ersten Mal wurde in der Erhebung auch das Thema Einsamkeit adressiert. Laut Studie fühlt sich jede sechste Person in Deutschland einsam, demnach knapp 12 Millionen Menschen. Am stärksten betroffen sind junge Erwachsene von 18 bis 29 Jahren - hier fühlt sich jede vierte Person einsam. Außerdem fühlen sich Frauen tendenziell einsamer als Männer.

Das Statistische Bundesamt erfasst im zehnjährigen Turnus, wie die Menschen in Deutschland ihre Zeit verbringen. Bei der Erhebung 2022 wurden rund 10.000 Haushalte mit 20.000 Menschen ab 10 Jahren auf freiwilliger Basis an drei vorgegebenen Tagen (davon zwei Wochentage und ein Tag am Wochenende) aufgefordert, ihre verbrachte Zeit in 10-Minuten-Schritten in einem Zeit-Tagebuch oder in einer App festzuhalten. 

© dpa-infocom, dpa:240228-99-154635/5


Von dpa
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