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Veröffentlicht am 25.04.2022 15:22

Diese Produkte wurden besonders dreist gefälscht

Für die Verleihung des Schmähpreises hat die „Aktion Plagiarius“ eine Fälschung (rechts) vom Mehrweg-Besteckset der Kunststoff-Designfirma Koziol (links) ausgewählt. (Foto: -/Aktion Plagiarius e.V. /dpa)
Für die Verleihung des Schmähpreises hat die „Aktion Plagiarius“ eine Fälschung (rechts) vom Mehrweg-Besteckset der Kunststoff-Designfirma Koziol (links) ausgewählt. (Foto: -/Aktion Plagiarius e.V. /dpa)
Für die Verleihung des Schmähpreises hat die „Aktion Plagiarius“ eine Fälschung (rechts) vom Mehrweg-Besteckset der Kunststoff-Designfirma Koziol (links) ausgewählt. (Foto: -/Aktion Plagiarius e.V. /dpa)

In der internationalen Warenwelt gibt es offenbar kein Produkt, das nicht gefälscht werden könnte. Auf die negativen Folgen für Hersteller und Konsumenten hat der Schmähpreis „Plagiarius“ in Stuttgart aufmerksam gemacht.

Zum Welttag des geistigen Eigentums an diesem Dienstag (26. April) prangerte der private Verein „Aktion Plagiarius“ bereits zum 46. Mal Fälscher an, indem er Originale und nachgeahmte Produkte gegenüberstellt. An die Produktpiraten wurden Preise für „kreativbefreite Nachempfindungen“ verteilt.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat den weltweiten Schaden durch Fake-Produkte für das Jahr 2019 auf 412 Milliarden Euro geschätzt, was rund 2,5 Prozent des Welthandels entspreche. Die Corona-Pandemie hat das lukrative Milliardengeschäft noch weiter befeuert: Die gefälschten Produkte werden Europol zufolge zunehmend über E-Commerce-Plattformen, soziale Medien und Instant-Messaging-Dienste beworben und vertrieben.

Unter den acht von einer Jury ausgewählten Beispielen des Jahres 2022 ist die Kunststoff-Designfirma Koziol aus dem hessischen Odenwald gleich zwei Mal als Opfer von Fälschern vertreten. Jeweils in China wurden qualitativ minderwertige Versionen des Mehrweg-Besteck-Sets „KLIKK“ hergestellt und zu Niedrigpreisen vertrieben. „Mit Kopien wird der Kunde betrogen“, sagt Inhaber Stephan Koziol, der 20 Jahre an dem System getüftelt hat. Fast verächtlich biegt er an dem nachgemachten Messer, das so weich ist, dass damit nichts geschnitten werden kann.

Ein höheres Gefahrenpotenzial birgt ein in Bangladesch nachgebautes Druckmessgerät. Im Gegensatz zum Original der Firma Wika aus dem fränkischen Klingenberg ist in dem Plagiat eine zu kleine Messfeder eingebaut und es fehlen Feinjustierungsmöglichkeiten. Die angegebene Genauigkeit kann so nicht erreicht werden und das Gerät für die Nutzer gefährlich werden. Auch Autoteile der Marken Schaeffler und Volkswagen wurden nachgemacht. Fälscher widmen sich längst nicht mehr nur nachgemachten Gucci-Taschen oder Rolex-Uhren für Touristen, sondern gehen in Großserien für Maschinenteile, die zwischen Unternehmen gehandelt werden.

Der Zangen-Hersteller Knipex aus Wuppertal ist Kummer mit Nachahmern eigentlich gewohnt. Aber manchmal macht allein die schiere Menge der Produktkopien Probleme, wie Firmenchef Gustav Putsch schildert. Im Fall des cleveren, von einem Magneten zusammengehaltenen Doppel-Schaltschrankschlüssels „TwinKey“ wurden in den vergangenen drei Jahren auf meist chinesischen Online-Marktplätzen nicht weniger als 9500 rechtswidrige Angebote geortet. „Wir konnten die Angebote in den meisten Fällen sperren lassen, aber man kann sich sicher vorstellen, welchen riesigen Aufwand das für uns bedeutet“, sagt Putsch.

Voraussetzung für eine Verfolgung ist, dass Patente, Designs oder Geschmacksmuster überhaupt bei den Behörden zum Schutz angemeldet sind. Vom Verein Plagiarius wurden für den Knipex-TwinKey 14 chinesische Online-Plattformen stellvertretend mit der Sonderauszeichnung „Hyänen-Preis“ geschmäht, weil sie wie die Rudeltiere ihr Opfer umzingelt und bedrängt hätten.

Zwar funktionierten die auf den Plattformen eingerichteten Meldesysteme für Plagiate in der Regel ganz gut, berichtet die Plagiarius-Anwältin Aliki Busse. Sie greifen aber immer nur für einzelne Produkte. Schwarze Listen für bereits auffällige Anbieter gebe es nicht. Knipex-Chef Putsch hält Schadenersatzregelungen für angemessen. Bislang machten die Händler mit den Fälschungen so lange ihr Geschäft, bis sie erwischt werden.

Konsumenten können sich in erster Linie mit gesundem Menschenverstand und etwas Misstrauen vor Plagiaten schützen. Niedrigpreise für Luxusartikel sind unrealistisch, mahnt Anwältin Busse und appelliert an die Konsumenten, offensichtliche Fälschungen nicht zu kaufen. Als Schutz gegen Online-Fake-Shops helfe häufig ein - allerdings mühsamer - Blick ins Impressum oder in die Geschäftsbedingungen der Händler, sagt Kathrin Körber von der Verbraucherschutzzentrale Niedersachsen.

In aller Regel nehmen die angeprangerten Fälscher den Schmähpreis nicht entgegen. Es handelt sich um die Statue eines Zwerges, der sich eine goldene Nase verdient hat. Er wurde bis Februar 2020 regelmäßig auf der Frankfurter Konsumgütermesse „Ambiente“ vergeben, bei der Zoll und private Ermittler regelmäßig Plagiate sichergestellt haben.

© dpa-infocom, dpa:220425-99-37942/2

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