Bundesregierung warnt vor Renaissance der fossilen Energie | FLZ.de

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Veröffentlicht am 18.07.2022 08:48

Bundesregierung warnt vor Renaissance der fossilen Energie

Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Flankiert werden die beiden von Außenministerin Annalena Baerbock und ihrem ägyptischen Amtskollegen Samih Schukri. (Foto: Christoph Soeder/dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Flankiert werden die beiden von Außenministerin Annalena Baerbock und ihrem ägyptischen Amtskollegen Samih Schukri. (Foto: Christoph Soeder/dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Flankiert werden die beiden von Außenministerin Annalena Baerbock und ihrem ägyptischen Amtskollegen Samih Schukri. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Die Bundesregierung hat ihre Klimaziele ungeachtet der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs bekräftigt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte in Berlin beim Petersberger Klimadialog vor einer globalen Renaissance der fossilen Energie.

„Niemand kann zufrieden sein damit, dass auch bei uns der Anteil der Kohleverstromung gerade wieder steigt“, sagte er. „Umso wichtiger ist es, dass wir eines ganz klar festhalten: Das ist eine zeitlich eng befristete Notmaßnahme, die nicht zu Lasten unserer Klimaziele geht.“ Das zweitägige Treffen mit Teilnehmern aus etwa 40 Staaten gilt auch der Vorbereitung des Weltklimagipfels im November in Ägypten.

Allein in Deutschland hat der vom Menschen gemachte Klimawandel seit 2000 durchschnittlich Schäden in Höhe von 6,6 Milliarden Euro pro Jahr verursacht. Insgesamt waren es Kosten von mindestens rund 145 Milliarden Euro, wie eine am Montag vorgestellte und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beauftragte Studie ergeben hat. Hierbei handele es sich nur um eine Teilbilanz, denn manche Schäden wie etwa der Verlust an Biodiversität ließen sich nicht in Geld umrechnen.

„Die Klimakrise ist mittlerweile das größte Sicherheitsproblem für alle Menschen auf dieser Erde“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „Wir haben nicht 10, 20, 30 Jahre, nein, uns bleiben noch 8 Jahre, um die weltweiten Emissionen nahezu um die Hälfte zu senken.“

Baerbock nahm insbesondere die Industrieländer in die Pflicht. „Die Industrieländer tragen eine ganz besondere Verantwortung. Denn wir sind führend im Emissionsausstoß.“ Die Industrieländer müssten Zusagen einhalten und das Ziel von 1000 Milliarden Dollar für die Klimafinanzierung verwirklichen.

Die Bundesregierung stellte ein Konzept für einen Schutzschirm gegen Risiken und Schäden in Entwicklungsländern vor. Der Vorschlag zielt auf Regelungen für Frühwarn-Systeme in besonders anfälligen Ländern, Vorsorgepläne und schnelle Finanzierungssysteme im Falle von Schadensereignissen.

Beim Petersberger Klimadialog wollen sich Minister und Vertreter aus etwa 40 Staaten über den weiteren Kurs im Kampf gegen den Klimawandel abstimmen. Deutschland und Ägypten sind Ausrichter der Konferenz, die auch Weichen für die Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen Küstenort Scharm el Scheich stellen soll.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sieht für sein Land wirtschaftliche Chancen in Erneuerbaren Energien. Es gebe ernsthafte Schritte, um den Anteil im Energiemix zu erhöhen und eine umfassende Wasserstoffstrategie zu erstellen, sagte al-Sisi in Berlin.

„Ebenso bemüht sich Ägypten, ehrgeizige Pläne für die elektrischen Verbindungen mit Nachbarländern in einer Weise umzusetzen, die es ermöglichen wird, aus Ägypten einen regionalen Knotenpunkt für Erneuerbare Energie zu machen“, sagte der Präsident laut offizieller Übersetzung seiner Rede weiter.

Al-Sisi bot Deutschland und Europa eine verstärkte Zusammenarbeit zur Sicherung der Energieversorgung an. „Die Gasproduktion im Osten des Mittelmeers könnte man durch Ägypten nach Europa liefern und exportieren“, sagte Al-Sisi laut offizieller Übersetzung bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD). „Wenn wir hier eine Rolle spielen können, um die Krise abzumildern, dann würden wir das sofort machen.“ Die hohen Energiepreise stellten auch eine Belastung für die ägyptische Bevölkerung dar, betonte Al-Sisi.

Scholz sagte, er habe mit Al-Sisi über langfristige gemeinsame Projekte im Energiebereich gesprochen, über Wasserstoff und den Wandel hin zu Erneuerbaren Energien, aber auch darüber, „ganz kurzfristig die Diversifizierungsmöglichkeiten für die Lieferung von Gas nach Europa und nach Deutschland auszuschöpfen und auszubauen“.

Ägyptens Präsident hatte zuvor für mehr Unterstützung afrikanischer Länder plädiert, um den Übergang zu grünen Technologien sowie die Anpassung an Klimaveränderungen zu unterstützen.

„Die gegenwärtige Situation in der Welt darf nicht als Ausrede verwendet werden, um frühere Zusagen nicht mehr einzuhalten, vor allem was die Unterstützung der Entwicklungsländer anbetrifft“, sagte der ägyptische Außenminister Samih Schukri mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Das entscheidende Jahrzehnt zum Handeln habe begonnen.

Beim UN-Klimagipfel COP26 in Glasgow hatten sich die Staaten im vergangenen November dazu bekannt, die Erderhitzung auf 1,5 Grad begrenzen und dazu ihre nationalen Klimaziele bis spätestens zum Jahresende nachschärfen zu wollen.

Der Präsident dieses COP26-Treffens, Alok Sharma, zog in Berlin eine ernüchternde Bilanz des Kampfes gegen die Klimakrise - wie auch einige andere Redner auf der Konferenz sowie Umweltorganisationen. Der bisherige Fortschritt sei sehr langsam und entspreche nicht den in Glasgow getroffenen Vereinbarungen, sagte Sharma. „Und ich muss das sagen, und das sage ich mit absoluter Sicherheit: Viele der Versprechungen, die wir gemacht haben, oder die, auf die wir uns verständigt haben, sind einfach nur Worte, Papier“, sagte Sharma laut offizieller Übersetzung seiner Rede.

UN-Generalsekretär António Guterres forderte mehr internationale Zusammenarbeit. „Was mich am meisten beunruhigt, ist, dass wir angesichts dieser globalen Krise nicht in der Lage sind, als multilaterale Gesellschaft zusammenzuarbeiten“, sagte Guterres in einer Videobotschaft. Statt Verantwortung zu übernehmen, zeigten Staaten weiter mit dem Finger auf andere. Er sagte: „Wir haben die Wahl. Entweder handeln wir zusammen oder wir begehen gemeinsam Selbstmord.“

© dpa-infocom, dpa:220718-99-61299/14

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