Bayerns neues Klimaschutzgesetz ist unzureichend | FLZ.de

arrow_back_rounded
Lesefortschritt
Veröffentlicht am 29.09.2022 10:04

Bayerns neues Klimaschutzgesetz ist unzureichend

Mitglieder von BUND, Greenpeace und Fridays for Future demonstrieren in der Nähe des Landtages für besseren Klimaschutz. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
Mitglieder von BUND, Greenpeace und Fridays for Future demonstrieren in der Nähe des Landtages für besseren Klimaschutz. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
Mitglieder von BUND, Greenpeace und Fridays for Future demonstrieren in der Nähe des Landtages für besseren Klimaschutz. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wie die erste Auflage vor zwei Jahren bewerten Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft auch die Novelle von Bayerns Klimaschutzgesetz als unzureichend. „Das Gesetz muss Rahmen schaffen für eine Transformation. Es reicht nicht, einfach Zahlen zu benennen“, sagte etwa Christian Essers, Direktor für Energieeinkauf bei der Wacker Chemie AGG, am Donnerstag bei der Anhörung im bayerischen Landtag. Das Gesetz müsse mit Programmen und Maßnahmen unterlegt werden, um die sportlichen Ziele zu erreichen.

Wirtschaftswissenschaftlerin Karen Pittel erklärte, es sei zwar positiv zu bewerten, dass Bayern seine Klimaschutzziele im Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts anpassen wolle, das Gesetz lasse aber viele Fragen für eine erfolgreiche Umsetzung unbeantwortet. Viele Formulierungen seien immer noch sehr vage, als Beispiele nannte sie die Themen Ausgleichszahlungen, Solarpflicht, Klimaziele bei staatlichen Vorhaben und Förderungen sowie die rein informelle Rolle des Klimarates.

Es sei aktuell schwer vorstellbar, wie es Bayern gelingen solle, fünf Jahre vor dem Bund und zehn Jahre vor der Europäischen Union klimaneutral werden zu wollen, sagte Pittel, Leiterin des ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen. Das Gesetz setze zudem in zu großem Maß auf den Handel mit Treibhausgasemissionen. Sofern dieser nicht nur auf unvermeidbare Emissionen beschränkt sei, sei aus ihrer Sicht der Vorwurf des „Greenwashings“ berechtigt.

Auch der geladene Klimarat Johannes Gnädinger betonte, es fehlten die verbindlichen Forderungen und Hilfen für die Kommunen, damit diese die Aufgaben des Klimaschutzes gemeinsam schultern könnten. Ebenfalls kritisierte er, dass es beinahe zu allen Maßnahmen keine quantitativen Vorgaben gebe. „Das ist vor zwei Jahren das gleiche Thema gewesen, also keine Veränderung.“

Laut Jurist Remo Klinger seien die Ziele des Pariser Klimaabkommens, die Erhöhung der Erderwärmung um maximal 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter weder mit dem bayerischen noch mit dem Klimaschutzgesetz des Bundes zu erreichen. Es fehle an verbindlichen Zwischen-Reduktionszielen und Konsequenzen, die greifen, wenn diese nicht erreicht würden. Im Gesetz sei einzig für die Verleihung des bayerischen Klimaschutzpreises eine harte Frist hinterlegt.

Julia Dade, Vorstandsmitglied der Bund Jugend Deutschland, warf der Staatsregierung darüber hinaus vor, die selbst formulierten Ziele gar nicht erreichen zu wollen. Letztlich verschiebe die Staatsregierung die Verantwortung lieber auf die Bundes- und die EU-Ebene, statt etwa die Abstandsregel 10H für neue Windräder vollends abzuschaffen. Diese Regel besagt, dass Windräder einen Mindestabstand zum nächsten bewohnten Haus vom Zehnfachen ihrer eigenen Größe haben müssen.

Dade sagte weiter: „Junge Menschen haben keine Angst davor, dass Windräder die Landschaft verspargeln.“ Die Jugend habe aber Angst vor den Folgen des Klimawandels. „Das veränderte Klimaschutzgesetz wird der Verantwortung nicht gerecht. Es geht um unsere Zukunft.“ Die maximale Unverbindlichkeit des Gesetzes sei unerträglich.

Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) schloss sich der Kritik zur fehlenden Verbindlichkeit an, mahnte zugleich aber auch an, dass die Kommunen ihrer Verantwortung gerecht werden könnten. So brauche es etwa bei der Solarpflicht ein Gesetz der Staatsregierung, ansonsten sei der organisatorische Aufwand für die Kommunen nicht zu stemmen. Mit Blick auf die Kostenfrage müsse allen klar sein, dass die Kommunen die Investitionen für den Klimaschutz nicht nebenbei mit den vorhandenen Haushaltsmitteln finanzieren könnten.

Im Jahr 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz des Bundes kritisiert und Nachbesserungen zu verbindlicheren Zielen bei der Reduzierung von Emissionen gefordert. In der Folge hatte auch Bayern eine Novelle für sein erst kurz zuvor beschlossenes Gesetz angekündigt. Im Kern hält die Novelle am Ziel fest, Klimaneutralität in Bayern bis 2040 zu erreichen. Dazu setzt die Neufassung aber deutlich mehr auf den Ausbau von erneuerbaren Energien.

Verglichen mit dem Jahr 1990 sollen in Bayern 65 Prozent Kohlendioxid eingespart werden. Die Kapazitäten der erneuerbaren Energien sollen verdoppelt werden. Bis 2030 sind 80 Prozent des Energiebedarfs durch Erneuerbare zu decken. Generell soll die gewonnene Leistung durch Photovoltaikanlagen und Windräder verdreifacht werden. Bis 2040 stelle der Freistaat 22 Milliarden Euro für den „Klimahaushalt“ zur Verfügung.

Die konkreten Maßnahmen für mehr Klimaschutz sind aber nicht im Gesetz hinterlegt, sondern in einem begleitenden Maßnahmenpaket. In Summe enthält es rund 150 Punkte, etwa zum Schutz von Mooren und Wäldern oder zum Bau von E-Ladestationen für Autos.

© dpa-infocom, dpa:220929-99-940463/3

north