Autotest: Was den F-150 Lightning so besonders macht | FLZ.de

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Veröffentlicht am 08.06.2022 04:32

Autotest: Was den F-150 Lightning so besonders macht

Im Aussehen und Charakter gibt es kaum Unterschiede. Doch mit dem Lightning ist der F-150 erstmals rein elektrisch unterwegs. (Foto: Ford Motor Company/dpa-mag)
Im Aussehen und Charakter gibt es kaum Unterschiede. Doch mit dem Lightning ist der F-150 erstmals rein elektrisch unterwegs. (Foto: Ford Motor Company/dpa-mag)
Im Aussehen und Charakter gibt es kaum Unterschiede. Doch mit dem Lightning ist der F-150 erstmals rein elektrisch unterwegs. (Foto: Ford Motor Company/dpa-mag)

Er ist so etwas wie der VW Golf der Amerikaner: Seit bald 50 Jahren führt der Ford F-150 unangefochten die US-Zulassungen an. Entsprechend bedeutend ist die vielleicht größte Neuerung seit 75 Jahren und 14 Generationen.

Wenn in diesem Sommer zu Preisen knapp unter 40.000 Dollar der F-150 Lightning an den Start geht, will Ford damit die Mobilitätswende in den USA stark voranbringen. Und obwohl der Pick-up ein zutiefst amerikanisches Auto ist, machen sie sich auch in Europa bereits Hoffnungen auf den patenten Pritschenwagen.

Zwar ist der Lightning nicht der erste elektrische Pick-Up. Doch anders als den Rivian R1T gibt es den Ford in sechsstelligen Stückzahlen. Und der Tesla Cybertruck ist zweieinhalb Jahre nach der Präsentation nicht einmal über den Status einer Studie hinausgekommen. Zudem zielt das Schwergewicht aus Detroit nicht nur auf urbane Kunden, sondern will auch Farmer und Gewerbetreibende zum Umstieg bewegen.

Daher bekommt der F-150 kein trendiges Design, sondern behält sein typisches Aussehen und das ausgesprochen konventionelle Ambiente. Ausnahmen sind lediglich die LED-Bögen an Bug und Heck und das schwarze Schild anstelle des chromblinkenden Kühlergrills. Und innen ist es allein der große Touchscreen vor der Mittelkonsole, der den Unterschied macht. Die Mischung aus vielen Anzeigen und Schaltern, die riesigen Sessel und die großzügigen Ablagen sowie das rustikale Interieur mit vielen Haltegriffen - all das ist dagegen so wie immer.

Und vor allem will der F-150 mit bekannten Qualitäten überzeugen. Denn auch mit E-Abtrieb ist er ein echtes „Workhorse“, wie Ford selbst sein Modell einmal bezeichnete. Schließlich wurden die Protoptypen über Millionen Kilometer gemartert, damit sie in der Wüste, den Bergen und der Prärie bestehen. Zudem haben die Amerikaner die Konstruktion so stabil ausgelegt, dass der Lightning genau so viel schleppt wie ein normaler Pick-Up. Und zwar egal ob auf oder abseits der Straße. Das macht ihn auch für Firmen diesseits des Atlantiks interessant. Denn ein E-Modell mit über einer Tonne Nutz- und rund fünf Tonnen Anhängelast sucht man hier vergebens.

Der Elektroantrieb kann nicht nur mit den Verbrennern mithalten, er verschafft dem Lightning sogar einige Vorteile. Dort, wo sonst die Motoren montiert werden, gibt es jetzt erstmals bei einem Pick-Up einen vor Wind und Wetter geschützten Kofferraum.

Und weil die Batterie ihren Strom nicht nur an die Motoren abgibt, sondern auch wieder ins Netz speisen kann, taugt der Riesenstromer auch als mobiles Kraftwerk. So liefern die Steckdosen auf der Baustelle, auf der Weide oder beim Camping Strom, und so lässt sich zur Not auch daheim mal ein Stromausfall überstehen. Drei Tage kommt ein normaler US-Haushalt schon mit den 98 kWh der kleinen Batterie über die Runden, mit den 130 kWh des XXL-Modells auch länger, rechnen sie in Detroit vor. Bei manchem könnte das Argument fast noch besser ziehen als die bis zu 515 Kilometer Reichweite.

Wie die allermeisten Elektroautos kommt der F-150 auch viel schneller in Fahrt. Egal ob mit 332 kW/452 PS oder mit 426 kW/580 PS - immer gibt es Allradantrieb und vor allem 1050 Nm, die den Fahrer beim Kickdown treffen wie der Blitz, der dem Lightning seinen Namen gegeben hat. Denn ohne jede Vorwarnung und ohne den kräftigen Sound eines Achtzylinders sprintet der Koloss los wie ein Topathlet. Aus dem Stand in bestenfalls 4,5 Sekunden auf Tempo 100 - da ist von den fast drei Tonnen Leergewicht kaum mehr etwas zu spüren. Nur bei der Endgeschwindigkeit hat der Lightning das Nachsehen: Mehr als 170 km/h sind nämlich nicht drin. Aber so schnell darf man in dem USA ohnehin nirgends fahren.

Allerdings bleibt der Lightning womöglich kein amerikanisches Phänomen. Weil Ford in Europa seine Flotte bei den Pkw bis 2030 und bei den Nutzfahrzeugen bis 2035 auf Elektroantriebe umstellen will, wächst auch in der Zentrale in Köln das Interesse an dem großen Pick-Up. Denn ein ebenso imageträchtiges wie leistungsstarkes Fahrzeug wie der Lightning würde da gut ins Konzept passen. Langfristig stehen die Chancen dafür laut Ford in den USA gar nicht schlecht. Doch erst einmal müssen die Amerikaner dem Andrang im eigenen Land Herr werden. Und das wird bei 200.000 Vorbestellungen ein wenig dauern.

Er ist nicht nur genau so gut wie das meistverkaufte Auto der USA, sondern im vielen Disziplinen sogar deutlich besser. So könnte der Lightning einem der größten Automärkte der Welt flächendeckend die E-Wende bringen. Damit wird der F-150 nicht nur für Ford zum wichtigsten Auto seit der Erfindung des Model T, sondern vielleicht sogar für die gesamte PS-Branche. Und obendrein verschafft ihm der E-Motor womöglich nach über 75 Jahren endlich ein Ticket für den Export.

Datenblatt: Ford F-150 Lightning Extended Range

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke

© dpa-infocom, dpa:220524-99-415937/22

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