Veröffentlicht am 02.02.2023 15:43

Ein Ansbacher vermarktet den 1. FC Nürnberg

Jörg Burkhardt engagiert sich beim Heimatverein ESV Ansbach-Eyb.  (Foto: Alexander Keck)
Jörg Burkhardt engagiert sich beim Heimatverein ESV Ansbach-Eyb. (Foto: Alexander Keck)
Jörg Burkhardt engagiert sich beim Heimatverein ESV Ansbach-Eyb. (Foto: Alexander Keck)
Jörg Burkhardt engagiert sich beim Heimatverein ESV Ansbach-Eyb. (Foto: Alexander Keck)

Im zarten Alter von 37 Jahren hat der Fußballer Dr. Jörg Burkhardt einen Vertrag beim 1. FC Nürnberg unterschrieben. Beim ehemals durchaus begabten Verteidiger geht es aber nicht um Zweikampfwerte. Seine Talente werden gebraucht, um Geld ranzuschaffen. Der Ansbacher ist Head of new Partner-ships in der Vermarktungsabteilung des Zweitligisten.

Head of bedeutet, dass er einem kleinen Team innerhalb der insgesamt mit 14 Kräften besetzten Abteilung Vermarktung vorsteht. Die besteht, seit sich der Club nach über 20 Jahren vom Vermarkter Sportfive getrennt hat und wieder selbst die Akquise der Werbepartner in die Hand nimmt. Und seither hundert Prozent der Erlöse bekommt statt nicht nur 80 oder gar nur 75 Prozent wie vorher.

Niels Rossow, der kaufmännische Vorstand des 1. FC Nürnberg, wollte die Vermarktung ins Haus zurückholen. Dafür brauchte es neues Personal. So kam Burkhardt vor ein paar Monaten zu seinem Arbeitsplatz am Valznerweiher. Ganz klassisch über eine Stellenanzeige. Ohne Kontakte, ohne Headhunter. „Man wollte wohl bewusst auch Leute von Außen holen“, sagt Burkhardt.

Das Profil passte: Er hatte Erfahrung im Vertrieb B2B (Business-to-Business, also die Geschäftsanbahnung zwischen zwei Unternehmen), er hatte Führungserfahrung und Lust auf einen neuen Job. Ein perfect fit. Übersetzt: Des kam grad recht.

Doktorarbeit mit summa cum laude

An Business-Sprech muss sich gewöhnen, wer mit Burkhardt Zeit verbringt. Da wird auch mal eine Benchmark outperformt (eine Zielsetzung übertroffen) und ja, der Mann mit dem blanken Schädel und der runden Brille kann reden und er kann verkaufen. Das wird schnell klar an diesem Nachmittag im Café. Nicht nur Werbeverträge, sondern auch sich selbst. Wäre dem nicht so, hätte er den falschen Beruf.

Burkhardt studierte Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. „Kampagnenmanagement in Sozialen Netzwerken – Kundenansprache und Kundengewinnung am Beispiel von Versicherungsunternehmen“ war das Thema seiner Doktorarbeit, die mit summa cum laude (mit höchstem Lob) bewertet wurde.

Burkhardt arbeitete knapp zwei Jahre bei der Ergo-Versicherung, fünf Jahre bei der GfK, war Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe.

Dass der Fußball einmal eine derart wichtige Rolle in seinem Berufsleben spielen würde, war nicht zu erwarten. Aber jetzt passt es wirklich gut. Anders als Datenpakete bei der GfK oder Versicherungen verkauft er jetzt ein Produkt, das mit Emotionen verknüpft ist – einen Geist.

„Wir verkaufen Euch einen Geist.“ So steht es auf der Homepage des FCN unter dem Thema Business. Gemeint ist der Geist des 1. FC Nürnberg. Ein Werber hat darüber einen schönen, lyrischen Text gestrickt.


Heimspieltage sind Arbeitstage.

Dr. Jörg Burkhardt

Burkhardt hat die Maße des Geistes parat – natürlich: 17 Millionen Fans oder zumindest Sympathisanten, über 700 Fanclubs, 800 000 Follower in den sozialen Netzwerken, hunderttausende pro Jahr im Stadion. Es geht längst nicht mehr nur darum, denen auf einer Werbetafel ein Auto zu empfehlen oder einer Firma ein paar Quadratzentimeter auf dem Trikot zu verkaufen.

CSR ist angesagt. Corporate Social Responsibility, gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, nachhaltiges Wirtschaften. Ein Beispiel: „Unterstützt von unserem Community Partner, der Sparkasse Nürnberg, organisieren wir eine Aktion, bei der kaputte Fahrräder eingesammelt, repariert und an Bedürftige ausgegeben werden“, so Burkhardt. Finden alle gut, kann niemand was gegen haben. Der in diesem Kontext präsente Partner („Powered by ...“) und der Verein profitieren. „Da geht es um ein im Leitbild verankertes gesellschaftliches Engagement und einen ebenso positiven Imageeffekt für alle“, sagt Burkhardt.

Beim klassischen Sponsoring geht es oft auch nicht mehr ausschließlich darum, ein Produkt oder eine Dienstleistung bekannt zu machen. Wer mit dem Club wirbt, wird auch „Teil des größten Businessnetzwerks Nordbayerns“. Daran knüpft Burkhardt eifrig mit. „Heimspieltage sind Arbeitstage“, sagt er.

Lange vor Anpfiff verlässt Burkhardt Haus, Frau und seine zwei fünf und acht Jahre alten Buben in Eyb und ist im Stadion präsent für die Kunden in den Logen und auf den VIP-Plätzen.

Es sind viel zu wenige. Also Logen und VIP-Plätze. Kunden sind es mehr geworden. „35 neue Partner“ habe der Club seit dem Wechsel in die Eigenvermarktung gewonnen. Die Ziele, die dem Marketingteam gesetzt wurden, wurden übererfüllt (outperformt!).


Vertrieb ist immer Druck.

Dr. Jörg Burkhardt

Obwohl es sportlich beim Club ja nur so lala läuft. Zweite Liga geht noch. „Aber einen Abstieg gilt es natürlich mit allen Mitteln zu vermeiden“, sagt Burkhardt. In die andere Richtung soll es gehen, in nicht allzu ferner Zukunft. Daran arbeitet er mit, was durchaus auch mit Erfolgsdruck verbunden ist, gerade so wie beim Team auf dem Platz. Macht ihm nichts aus. „Vertrieb ist immer Druck“, sagt Burkhardt.

Mit einem neuen Stadion wäre noch mehr möglich. 18 Logen gibt es jetzt und 1100 VIP-Plätze. Ligarivale St. Pauli zum Beispiel hat über 3000 VIP-Plätze. Überhaupt die Hamburger mit ihrem linken Piratenimage und der Totenkopfflagge: „Einer der am cleversten vermarkteten Vereine überhaupt“, findet Burkhardt.

Es gab eine Zeit, da hat er gegen und nicht für den 1. FC Nürnberg gespielt.

Als Innenverteidiger gegen Sercan Sararer

September 2007, Valznerweiher. In der Bayernliga gastiert die SpVgg Ansbach beim 1. FC Nürnberg II. „Der Club mit Nicky Adler und Dario Vidosic hat uns schwindelig gespielt“, erinnert sich Burkhardt an die 2:3-Niederlage. Auch bei seinem Bayernliga-Debüt wenige Woche vorher beim 1:3 gegen die SpVgg Greuther Fürth II hatte der Innenverteidiger mit Sercan Sararer und Markus Karl namhafte Gegenspieler. In der Saison davor war Burkhardt mit den Ansbachern Meister der Landesliga geworden, sein größter Erfolg als Fußballer. An Nummer zwei kommt gleich der Aufstieg in die Bayernliga mit der A-Jugend der SpVgg.

Nach einem Meniskusschaden ging es von dort zurück zum Heimatverein ESV Ansbach-Eyb, bei dem Burkhardt heute noch tätig ist, unter anderem als Jugendtrainer. Zwischendurch trainierte er in der Kreisliga bei Fortuna Neuses. Der Trainerjob würde ihm immer noch Spaß machen, aber Beruf und Familie lassen dafür keine Luft. 2019 beendete Burkhardt offiziell seine Karriere nach ein paar späten Einsätzen für den ESV im Bezirksliga-Abstiegskampf.

Am Ball ist er dennoch gelegentlich. Für die Traditionself des FCN, gemeinsam mit Thomas Ziemer, Michael Wiesinger, Andreas Wolf und Martin Driller. Da spielen dann lauter gute Geister des 1. FC Nürnberg zusammen.


Alexander Keck
Alexander Keck

Der noch in Vor-Internetzeiten der FLZ zugelaufene Schwarzwälder hat im Verlauf von fast drei Jahrzehnten die fränkischen Merkwürdigkeiten, die in Ohrmuscheln (Allmächd!) und auf Esstellern (Saure Zipfel!) landen schätzen gelernt. Nur die im Vergleich zu Spätzle stets zu breiigen Knödel mag der Schwabe nicht. Das Schreiben über Sport dagegen immer noch sehr - gerne auch abseits des Mainstreams.

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