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Veröffentlicht am 30.01.2023 11:04

Altes Handwerk ist in Brandenburg beliebt

Marco Wichert arbeitet in seinem „Zander Holzstudio“ am liebsten mit den alten Feilen seines Großvaters. In der alten Werkstatt, in der schon sein Urgroßvater gearbeitet hat, stellt er Servier- und Schneidebretter in traditioneller Handarbeit her. (Foto: Oliver Gierens/dpa)
Marco Wichert arbeitet in seinem „Zander Holzstudio“ am liebsten mit den alten Feilen seines Großvaters. In der alten Werkstatt, in der schon sein Urgroßvater gearbeitet hat, stellt er Servier- und Schneidebretter in traditioneller Handarbeit her. (Foto: Oliver Gierens/dpa)
Marco Wichert arbeitet in seinem „Zander Holzstudio“ am liebsten mit den alten Feilen seines Großvaters. In der alten Werkstatt, in der schon sein Urgroßvater gearbeitet hat, stellt er Servier- und Schneidebretter in traditioneller Handarbeit her. (Foto: Oliver Gierens/dpa)

In der kleinen Werkstatt von Marco Wichert in Gantikow bei Kyritz (Ostprignitz-Ruppin) ist es kalt und in manchen Räumen auch dunkel. Strom gibt es in dem alten Gemäuer, das er nach seinem Urgroßvater „Zander Holzstudio“ genannt hat, nur über ein Kabel vom Nachbarhaus.

Doch Wichert verbringt hier fast jeden Abend, um seinem Hobby nachzugehen, das vor gut einem Jahr zum Nebenerwerb wurde: Aus Holzresten fertigt er hochwertige Schneide- oder Servierbretter, die er auf verschiedenen Märkten anbietet. Gerade ist Wichert von der Grünen Woche in Berlin zurückgekehrt. Dort bot der Hobby-Handwerker seine Produkte an.

„Authentische Erlebnisse und Produkte“

Ob altes Handwerk, kleine Werkstätten oder traditionelle Manufakturen: „Authentische Erlebnisse und Produkte“ seien ein wichtiger Bestandteil für den Tourismus in Brandenburg, sagt Patrick Kastner, Sprecher der Tourismus-Marketing Brandenburg. Wichtig sei aus touristischer Sicht die „Erlebbarkeit“. Das heißt: Besucher sollen den Handwerkern beim Töpfern, Hobeln oder Glasblasen über die Schulter schauen können - und dabei vielleicht auch mal selbst Hand anlegen.

Über 280 solcher Werkstätten sind laut Kastner auf der Internetseite reiseland-brandenburg.de verzeichnet. Traditionelles Handwerk sei mit über 210 Betrieben vertreten. Darunter befänden sich auch einige Handwerke, die weitgehend ausgestorben seien. So stelle die Posamenten-Manufaktur in Forst in der Lausitz traditionelle und moderne Posamente wie Quasten, Borten, Fransen und Textilkabel auf teilweise historischen Maschinen oder in Handarbeit her.

Auch Wichert setzt in seiner Werkstatt auf Opas alte Feilen. Eine kleine Kreissäge, eine Bandsäge oder Handschleifgeräte - mehr Elektrik braucht der Hobby-Handwerker nicht. Und er legt bei seinen Holzbrettchen konsequent Wert auf Nachhaltigkeit. Alle Produkte entstehen aus Holzabfällen.

Hoher Zeitaufwand und viel Kreativität

„Ich finde es wichtig zu fragen, wie man diese Reste weiterverwenden kann“, sagt Wichert. „Man kann flexibel aus allem etwas herausholen.“ So lasse sich Baumrinde als Wanddeko verwenden - oder für ein Insektenhotel.

In seinem Hauptberuf arbeitet Wichert als Eventmanager und Marketingexperte im Hotelfach. Dabei sitze er meistens am Schreibtisch - und die Ergebnisse seien meistens nicht mit den Händen zu greifen. „Da gibt es nichts Haptisches“, meint Wichert. „Ich liebe es, wenn ich zum Abschluss das Ergebnis in den Händen halten kann.“

Für die Arbeit in der Werkstatt nimmt sich Wichert reichlich Zeit. Vier bis fünf Wochen dauere es, bis ein Servier- oder Schneidebrett fertig sei. Schleifen, sägen, einölen - all das brauche seine Zeit, und das Epoxidharz müsse auch erstmal aushärten. Dafür sind seine Stücke Unikate, tragen sogar eigene Namen. „Apple country“ heißt zum Beispiel ein Servierbrett, „Gone nuts“ ein anderes. Dafür verwendete Wichert beispielsweise Walnüsse, die er in das Holz eingoss. Aus den Nussschalen stellte er Beize her, und in einem anderen Glas hat er rostige Nägel in Essig eingelegt, um Beize mit einem besonderen Farbton zu erhalten.

Viele Berufe sterben nach und nach aus

Jeder Kauf in den kleinen Werkstätten trage dazu bei, diese Traditionen zu erhalten, sagt Tourismus-Sprecher Kastner. Auch wenn manche alte Handwerksberufe als touristische Attraktionen oder Kunstgewerbe überleben, geht ihre Zahl teils spürbar zurück, bestätigen auch die Handwerkskammern im Land.

So gibt es im Bezirk der Handwerkskammer Frankfurt (Oder) den Angaben zufolge nur noch einen Bürsten- und Pinselmacher, vier Buchbinder oder drei Klavierstimmer. Die für den südlichen Teil zuständige Handwerkskammer Cottbus nennt drei Gewerke, die es vor Ort gar nicht mehr gibt. Der letzte Seiler stellte demnach 2003 seine Arbeit ein. Seit 2019 gibt es keinen Handschuhmacher mehr. Auch der Beruf des Schirmmachers ist seit zwei Jahren im Kammerbezirk ausgestorben.

Dennoch ist Jana Kuste von der Handwerkskammer Potsdam überzeugt: „Handwerk stirbt nicht aus“. So habe es in ganz Brandenburg 2021 insgesamt 137 Sattler und sogenannte Feintäschner gegeben - 13 mehr als 2019. „Und das“, betont Kuste, „in einem Gewerbe, in dem mancher sicher keine „Wachstumsbranche“ vermutet.“

Alte Berufe im Umbruch

Andere Handwerke befänden sich in Modernisierungsprozessen, beispielsweise die Steinmetze, die auf eine veränderte Friedhofskultur reagieren müssten. Einige Betriebe hätten hier ihre Tätigkeit in weitere Bereiche, beispielsweise Küchen- und Treppengestaltung verlagert, sagt die Sprecherin der Handwerkskammer.

Und nicht jeder Handwerksberuf erfordert einen Meistertitel. So können Keramiker oder Gold- und Silberschmiede auch ohne den Meisterbrief an der Wand ein Gewerbe anmelden. Auch Marco Wichert aus Gantikow profitiert davon: Für seine kleinen Erzeugnisse, die teilweise ins Kunsthandwerk fallen, brauchte er keine entsprechende Befähigung nachzuweisen. Kleine Accessoires wie Ohrringe oder Kettenanhänger aus Holz sollen sein Angebot künftig ergänzen.

© dpa-infocom, dpa:230130-99-409236/5


Von dpa
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