So ein opulentes Dinner mit Weinbegleitung ist schon etwas Feines. Aber mit jedem Gang wird der gereichte Tropfen schwerer, mächtiger und alkoholhaltiger, ehe zum Dessert noch ein richtig süßer folgt. Und dann kommt dieser Punkt: Nach dem letzten Bissen würde man so gerne noch ein, zwei Gläschen als Absacker trinken. Einfach so.
Aber bitte nicht vom letzten Wein - der war zwar super zu der geeisten Mousse. Aber was es jetzt braucht, ist ein süffiger, einer der die Geschmacksnerven wieder richtet - ein Reparaturwein. Noch nie davon gehört? Er steht auch auf keinem Etikett, keiner Getränkekarte oder keinem Regal im Handel.
„Reparaturwein ist kein offizieller Begriff in der Weinwelt. Das Wort hat sich aber in den letzten Jahren in der Weinszene fest verankert“, sagt Maximilian Wilm, Sommelier des „Kinfelts Kitchen and Wine“ in der Hamburger Hafencity. Aus seiner Sicht soll ein Reparaturwein in erster Linie erfrischen und somit den Gaumen „reparieren“. Dafür eigneten sich vor allem Weine mit einer erfrischenden Säure und niedrigem Alkoholgehalt, so Wilm.
Auch Claus Burmeister vom Weingut Burg Ravensburg in Östringen-Tiefenbach weiß, wann die Stunde für Reparaturweine gekommen ist: „Er sollte grundsätzlich dann zum Einsatz kommen, wenn am Ende des Dinners der Durst noch nicht ganz gestillt ist, aber man gerne wieder die Kurve zurück zu etwas Leichterem finden würde.“
Kabbi und Pinot Noir funktionieren wie Reset-Taste
Dafür ist aus Burmeisters Sicht ein Riesling Kabinett mit einer leichten Restsüße perfekt geeignet. „Ich gehe sogar so weit und sage: Kabbi hilft immer und geht immer!“, sagt der Rebenflüsterer aus dem Kraichgau.
Der Winemaker verrät noch eine zweite Reparaturvariante, der wie eine Reset-Taste für die Geschmacksknospen funktioniert: „Nach kräftigen und schweren Roten liebe ich persönlich einen eleganten und gereiften Pinot Noir.“ Der verleihe einem nach den Krachern buchstäblich Flügel. Der reife Pinot Noir funktioniere aber auch super nach einer Batterie an Weißweinen oder nach einem schweren Dessert.
Bei Maximilian Wilm kommt ein Reparaturwein nicht nur gegen Ende eines vinophilen Trinkerlebnisses zum Einsatz, sondern auch zwischendurch. „Gerade wenn viele, schwere und tanninreiche Weine verkostet werden, tut ein Gaumenerfrischer zwischendurch mal ganz gut“, sagt er. Und was ist seine Geheimwaffe für den frischen Gaumen? „Mein Schweizer Taschenmesser dafür ist ein erfrischender Riesling Kabinett von der Saar“, sagt der Sommelier und Podcaster („Saufgesabbel“).
Regelrecht ins Schwärmen kommt Maximilian Wilm über seine neueste Entdeckung. „Auf der diesjährigen Prowein in Düsseldorf habe ich den perfekten Reparaturwein kennengelernt und auch direkt für unser Restaurant bestellt“, sagt er. Dabei handelt es sich allerdings um einen Schaumwein. „Er hat neben den Komponenten Säure und Süße auch noch Kohlensäure als Reparaturkit mit im Portfolio. Die Kohlensäure verstärkt den Erfrischungsfaktor noch einmal extrem“, so der Experte.
Auf einen Prickeleffekt zum Reparieren verweist auch Claus Burmeister: „Der klassische Reparaturwein perlt: Ein Glas brut nature Winzer Sekt oder Champagner weckt den Gaumen und die Lebensgeister.“
Aber muss es immer Wein oder Sekt zum Reparieren sein? „Definitiv nicht“, sagt Wilm. In ihrem Hamburger Restaurant werde zwischendurch gerne auch ein aromatisierter Sake mit nur zehn Volumenprozent und einer belebenden Säure als Erfrischung serviert. „Sozusagen ein flüssiges Sorbet vor dem Hauptgang.“
Besonders beliebt dafür: ein Ginjo Sake, welcher mit der teuren und raren Yuzu-Frucht aromatisiert wird. Die Zitrusfrucht aus Japan sei hocharomatisch und eine Kreuzung aus Zitrone und Mandarine. „Der Sake eignet sich aber nicht nur zum Reparieren, sondern auch als Topping auf einer Kugel Vanilleeis.“
Noch einen Schuss edler definiert Winzer Dirk Würtz, was einen Gaumen am besten wieder erfrischt: „Was ich persönlich sehr schätze, ist der Zwischenchampagner - quasi als Reparaturwein.“ Es gebe nichts Besseres, als während eines großen und ausladenden Menüs ein Gläschen Champagner zu trinken - ob dazwischen oder danach, sagt der Fachmann vom Weingut St. Antony in Nierstein am Rhein. Bier nach einem tollen Menü mit tollen Weinen empfindet er als gruselig. „Schampus hingegen macht wach und erfrischt!“
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